Landeshauptstadt: Der Tempel auf dem Kahlen Berg Kostbarkeiten für Eiches neue Ortschronik
Zwei heimatgeschichtliche Schätze hält Evelyn Dahme in ihren Händen: das 1922 geschriebene Bruchstück einer Ortschronik und die ebenfalls 1922 einsetzende und bis in die 50er Jahre fortgeführte Schulchronik. Autor ist in beiden Fällen der bis 1945 in Eiche wirkende Lehrer Johann Brieger.
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Zwei heimatgeschichtliche Schätze hält Evelyn Dahme in ihren Händen: das 1922 geschriebene Bruchstück einer Ortschronik und die ebenfalls 1922 einsetzende und bis in die 50er Jahre fortgeführte Schulchronik. Autor ist in beiden Fällen der bis 1945 in Eiche wirkende Lehrer Johann Brieger. Die in Privatbesitz alter Dorfbewohner aufbewahrten Chroniken wurden Evelyn Dahme wenige Tage nach ihrem Aufruf übergeben, die Geschichte des heutigen Potsdamer Ortsteils zu erforschen. Andere Einwohner brachten der stellvertretenden Ortsbürgermeisterin Materialien unter anderem über den verschwundenen Tempel auf dem Kahlen Berg, die Kasernenbauten und das Entstehen der Siedlung Altes Rad in den 90er Jahren. Über den Jahreswechsel will Evelyn Dahme die Schriftstücke sichten. Ein erster Einblick weist besonders die Schulchronik als ortsgeschichtliche Fundgrube aus. Plastisch beschreibt Johann Brieger beispielsweise die Ereignisse der Jahre 1943/44, als bei einem Luftangriff auf Berlin eine verirrte Bombe 18 blutjunge Nachrichtenhelferinnen in den Tod riss. „Ob ganz Junge und Alte noch etwas an der Kriegslage ändern können?“ fragt er, als im Februar in Eiche der so genannte Volkssturm aufgeboten wird. Die einrückenden Russen, die schon am 22. Mai 1945 den Unterricht wieder aufnehmen lassen, nennt Brieger „im allgemeinen gutmütig“, dagegen hätten die mit ihnen verbündeten „Südslawen“ (Jugoslawen) das Dorf geplündert und dabei auch fast alle Schulunterlagen mutwillig vernichtet. Der von den Schülern verehrte Brieger wird wie fast alle unter den Nationalsozialisten tätigen Lehrer bald darauf entlassen. Als die Kinder 1946 bei der ersten Nachkriegsweihnachtsfeier der Gemeinde im Gasthof „Onkel Emil“ das Festspiel „Winterfreuden“ aufführen, ist schon Herbert Steinborn Schulleiter. Er führt nicht nur die Chronik weiter, nun sogar mit Fotos illustriert, sondern bewahrt seinen Vorgänger auch vor Obdachlosigkeit, indem er ihn als Untermieter in die Lehrerwohnung aufnimmt. Ein Blick in die von Johann Brieger geschriebene Chronik hat übrigens die von Evelyn Dahme in der Ortsteilzeitung „Eichenblatt“ gestellte Frage nach dem Namen Altes Rad einer Klärung näher gebracht. Als „Altes Radstück“ ist es bereits in der Karte von Suchodoletz (1683) verzeichnet. Die Deutung, der Name sei erst 1934 nach der Ausgrabung eines bronzezeitlichen Kultwagens entstanden, scheidet also aus. Ob die Bezeichnung auf eine Richtstätte hinweist, wo Verurteilte aufs Rad geflochten wurden, konnte allerdings noch nicht geklärt werden. Dazu wäre eine Suche im Geheimen Staatsarchiv Dahlem hilfreich, wo eine in den 30er Jahren von der Historischen Kommission der Mark Brandenburg angelegte Flurnamensammlung aufbewahrt wird. Wie bei diesem Detail sind auf dem Weg zu einer Ortschronik Dutzende, ja Hunderte Spuren zu verfolgen. Erschwert wird dies dadurch, dass Eiche bis 1935 selbstständig, dann Ortsteil von Potsdam, 1952 wieder eine eigene Gemeinde, von 1957 bis 1974 mit Golm vereint, dann wieder eigenständig war und seit Anfang der 90er Jahre erneut zu Potsdam gehört. Vielleicht auch deshalb konnte bisher keine Chronik aufgefunden werden, wie sie in der DDR-Zeit für fast jedes Dorf angelegt worden war. Die in der Verbraucherzentrale beruflich stark eingebundene Evelyn Dahme ist sich bewusst, dass sie ihr Vorhaben nicht allein schultern kann und sucht deshalb Mitstreiter. Beiträge im „Eichenblatt“ und eine kleine Ausstellung mit historischen Fotos könnten dafür Interesse wecken. Die stellvertretende Ortsbürgermeisterin geht davon aus, dass die Beschäftigung mit der Dorfgeschichte zu einer stärkeren Identifikation mit dem Wohnort führt. Auch die Bewohner der Neubsiedlung Altes Rad, mit einem hohen Anteil an „Neubürgern“, sollen sich als Eichener und mit den Bürgern im alten Straßendorf an der Kaiser-Friedrich-Straße verbunden fühlen. E.Hoh Evelyn Dahme, Kaiser-Friedrich-Straße 124 C, Tel.: (0331) 71 20 75.
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