Landeshauptstadt: Der Tod lauert an der Straße
CDU-Ortsverband lud zur Diskussion über städtische Umweltzonen – Potsdam soll aber keine bekommen
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310 000 Tote in Europa, 65 000 Tote in Deutschland. Und in Potsdam? Die Wissenschaft kennt seit langem die Gesundheit gefährdende Wirkung der Feinstaubbelastung in den Städten. Jeder 41. Anwohner einer stark belasteten Straße stirbt an den mikroskopisch kleinen Partikeln. Statistisch würden also rund 125 der 5000 Potsdamer Anwohner der Zeppelin-, Behlert-, Großbeeren- und Kurfürstenstraße durch Krebs oder Herz-Kreislauf Beschwerden den Tod finden.
Umweltzonen, wie sie in Berlin mit Beginn des nächsten Jahres gelten, könnten auch in Potsdam die Belastung der Luft reduzieren. In der Reihe „Bürger im Dialog“ lud der Ortsverband Innenstadt der CDU am Mittwochabend zur Diskussion dieser Fahrverbotszonen ein. Denn Peter Schultheiß und sein Ortsverband befürchten besondere Einbußen für den innerstädtischen Handel, wenn die City dann nicht mehr allen offen stehen würde. Das Spektrum, das die Gastreferenten vertraten, reichte vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (Bund), dessen Verkehrsreferent Martin Schlegel auch am Potsdamer Luftreinhalteplan mitgearbeitet hat, bis zum Vorstand des ADAC Berlin-Brandenburg, Dr. Eberhard Waldau. Während der Bund auf den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs setzt und in der Einführung der Umweltzonen eine „sehr optimistische“ Chance für die Automobilindustrie sieht, endlich saubere Kraftfahrzeuge in den Handel zu bringen, gab es vom ADAC vehementen Widerspruch. Die Kosten für alle erforderlichen Maßnahmen in Berlin – Beschilderung, Ausrüstung der LKWs des Handelsverkehrs, Plaketten – schätze Waldaus Auto-Lobby auf mindestens 868 Millionen Euro. „In fünf Jahren sind die betroffenen Pkw sowieso auf dem Schrott gelandet“, war sich Waldau sicher.
Aber auch der Bund-Vertreter musst zugeben, dass die Reduktion der Feinstaubbelastung durch eine solche Maßnahme nicht bekannt ist, die Zahlen liegen zwischen zwei und 20 Prozent. Allerdings, so Schlegel, würden die Kraftwerke in der Lausitz dann immer noch zehnmal so viel Feinstaub emittieren wie der Straßenverkehr. Bei Ostwind belaste die Braunkohleverbrennung sowohl Berlin als auch Potsdam als sogenannte Hintergrundstrahlung. Der zuständige Fachbereichsleiter der Stadt Potsdam, Andreas Ernst, erläuterte dann, wie Potsdam sich auf die schon 1999 als EU-Richtlinie erlassenen neuen Grenzwerte einstellt. Der Luftreinhalteplan, der die Aktionen bei Überschreiten der Grenzwerte regelt, würde noch im Juni zur Einsicht der Bürger ausgelegt werden. Umweltzonen, so Ernst zur Beruhigung der Zuhörer, wären nur als letztes Szenario geplant. Man setze vorher auf einen ganzen Maßnahmenkatalog.
Zu dem gehören so genannte „Pförtnerampeln“, die den Stau in der Zeppelin- und Behlertstraße vor die Stadtgrenze verschieben könnten, oder die „grüne Welle“. Auch habe man das Verbot der „Brauchtumsfeuer“ im Auge gehabt. Doch die offenen Brandstellen bei Oster- oder Knutfesten seien nach einem kürzlichen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung nun doch zu genehmigen.
Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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