Landeshauptstadt: Der unzufriedene Inselgärtner
Seit 25 Jahren ist Jörg Näthe streitbarer Chef der Freundschaftsinsel und wacht über das Eiland in der Havel
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Wenn es um „sein“ Gartendenkmal geht, dann sieht Jörg Näthe nicht nur Grün, Blau und Gelb und freut sich, dass auf der Freundschaftsinsel das ganze Jahr durchgeblüht wird. Manchmal sieht er auch Rot. Da spielt es überhaupt keine Rolle, dass er nun schon 25 Jahre über das Eiland zwischen Alter und Neuer Fahrt wacht und sich manche Leidenschaft über die Jahre abkühlt. Jede neue Zerstörungstat, jeder jugendliche Übermut, der in Vandalismus ausartet, versetzt ihm einen Stich ins Herz. Denn Gärtner auf der Freundschaftsinsel muss man mit Leib und Seele sein, Halbheiten würde die Gartenschöne sofort übel nehmen und mit Nachlässigkeiten reagieren.
Das hat sie schon einmal versucht, als Näthes Vorgänger und Ziehvater Peter Altmann, 1980 in Rente ging. Die Insel sollte danach so ganz nebenher vom VEB Grünanlagen mitbetreut werden. Nach einem Jahr sah jeder, dass es so nicht ging. Und so wurde der stellvertretende Abteilungsleiter für öffentliche Grünflächen Jörg Näthe neuer Inselchef. Der verlegte sein Büro sofort auf die Insel und seitdem hütet er sie wie seinen Augapfel und betreut zudem noch die Blumenrabatten und Grünflächen der Innenstadt.
Dass der Einsatz als Inselgärtner mehr ist als ein Beruf, hat Näthe von seinen Vorbildern gelernt, vom Staudenprofessor Karl Foerster, dem die Wiederbelebung der Insel als Schau- und Lehrgarten nach dem Zweiten Weltkrieg zu verdanken ist und von Obergartenmeister Peter Altmann. Beide hatten neben der Ehefrau immer eine gar nicht heimliche, eher sehr anspruchsvolle Geliebte: den Staudengarten. Auch Ehefrau Heidi Näthe hat die schöne Nebenbuhlerin längst ins Herz geschlossen und ihr sogar kleine Liebesdienste erwiesen. Zum Beispiel bei der Einrichtung eines Gewürzgartens 1982. Als Jörg Näthe seine hübsche Idee verwirklichen wollte, musste improvisiert werden. Der VEB Saat- und Pflanzgut in Quedlinburg wurde um sozialistische Hilfe gebeten und was auch der nicht hatte, schickte eine Brieffreundin von Heidi aus dem Westen. Mit seinen rund 40 Gewürzarten machte der Garten sehr bald Furore und ist heute noch ein Anziehungspunkt.
Näthe wird es nicht müde, für das Gartendenkmal auf der Freundschaftsinsel zu werben. Er hält Vorträge, lädt zu Führungen ein und möchte gern ein „Inselbuch“ schreiben. Benimmt sich jemand jedoch gartenschädlich, kennt er Zeit seines Amtes keinen Pardon. So wehrte er sich in den 80er Jahren immer wieder gegen Großveranstaltungen. Auch als Volkskammerpräsident Horst Sindermann mit dem Auto auf die Insel rollte, um sie in Vorbereitung eines Jugendtreffens zu inspizieren, nahm er kein Blatt vor den Mund. Schließlich schaffte er es, dass er zu vorbereitenden Sitzungen für Inselfeste zugezogen wurde und das Schlimmste verhindern konnte. Auch nach der Wende waren die Begehrlichkeiten groß, aus dem Eiland einen Veranstaltungsort für alles Mögliche zu machen. „Mehr als 800 Besucher auf einmal sind einfach zu viel für das Gartendenkmal“, meint er mit ungebrochener Widerstandskraft. Stattdessen setzt er sich für gartengerechte Angebote ein, als Beispiel nennt er das zusammen mit dem Musikfestspielen veranstaltete Wandelkonzert. Auch auf die Ausstellungen im Pavillon nimmt er Einfluss, damit sich Garten und Kunst ergänzen.
Nach der Wende erforderte die Neuordnung der Zuständigkeiten auf der Insel intensiven Einsatz. Da wollte das Interhotel, heute Mercure, die von ihm betreute Inselgaststätte samt Grund und Boden zugeordnet bekommen. Bei einer solchen „Insel“ auf der Insel sah Näthe natürlich Rot und animierte die Stadt, ihre kommunalen Rechte geltend zu machen, Zum Glück für Insel und Anwohner, denn auch die anschließende Verpachtung und der Ausbau des Cafés zu einem Diskoschuppen, brachte viel Ärger auf und rings um die Insel ein. Zur Bundesgartenschau 2001 gelang es dann, die Gestaltungselemente der 30er, 50er und 70er Jahre wieder aufleben zu lassen und das zerstörte zweite Torhäuschen neu aufzubauen.
Genau diesen teuer bezahlten Standard möchte Näthe auch in Zukunft erhalten. Denn er wäre ein schlechter Liebhaber,würde er sich nicht auch in Zukunft bemühen, seine Gartenschönheit zu pflegen und vor Angriffen zu schützen. Wie das am besten gelingt, dabei kann hoffentlich auch der seit 2003 bestehende Verein der Inselfreunde helfen.
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