Landeshauptstadt: Der verborgene Brunnen des Babelsberger Schlosses
Aus 25 Metern Tiefe wurde das Trinkwasser mit Muskelkraft nach oben gehievt und zur Küche getragen werden
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Aus 25 Metern Tiefe wurde das Trinkwasser mit Muskelkraft nach oben gehievt und zur Küche getragen werden Von Adolf Kaschube In reizvoller Lage zur Havel und zur Potsdamer Altstadt steht am Nordhang des Babelsberges das Babelsberger Schloss. Bauherr des in Etappen errichteten Gebäudes war Prinz Wilhelm, der spätere Kaiser Wilhelm I. Mehrere bedeutende Architekten, wie Karl Friedrich Schinkel, Ludwig Persius und Heinrich Strack, haben an diesem, im romantisch-neugotischen Stil gebauten Schloss, mitgewirkt. 1844 bis 1949 wurde der Erweiterungsbau im modifizierten Baustil geschaffen. Zugehörig zum Schloss, etwas separat, liegt der zweigeschossige Küchenbau, der mit Zinnenbekrönung und Ecktürmchen an die Schlossarchitektur angepasst ist. Ein siebzig Meter langer unterirdischer Gang verbindet den Küchenbau mit dem Schloss. Auf Wunsch der Prinzessin Augusta war wegen der Gerüche der reichliche Küchenabstand einzuhalten. Problematisch war, wie beim Schloss Sanssouci auf Potsdamer Seite, die Lösung der Trinkwasserversorgung. Das Havelwasser, das das von Ludwig Persius gebaute Pumpwerk zur Parkbewässerung bereitstellte, war qualitativ als Trinkwasser ungeeignet. Vorübergehend wurde das Havelwasser für Wasch- und Reinigungszwecke in der Hofküche genutzt. Für die ordnungsgemäße Trinkwasserversorgung entschied sich der Bauherr, genau wie Friedrich II., zum Bau eines tiefen und teuren Kesselbrunnens. Dieser Brunnen erhielt zwischen Schloss und Küchenbau seinen Standort. Über den Brunnenbaumeister, der diesen Brunnen im Absenkverfahren gebaut hat, fehlen Überlieferungen. Weil dieses einst wichtige Bauwerk für die Lebenshaltung des Hofes und seiner Gäste existenzielle Bedeutung hatte und Jahrzehnte genutzt wurde, erscheint eine Beschreibung des verborgenen Brunnens angebracht. Hierfür wurden im Zusammenwirken mit der Schlösserstiftung, Gartenbereichsleiter Karl Eisbein, örtliche Erkundungen vorgenommen. Der Trinkwasserbrunnen liegt wenige Meter vom Schloss entfernt. Ein waagerechter schmaler Zugang führt zum Einsteigeschacht in die Kuppel des gemauerten Kesselbrunnens, dessen Durchmesser vier Meter beträgt. Über eingehängte Eisenleitern sind die fünf Etagen bis zum tief gelegenen Wasserspiegel erreichbar. Jede Etage besteht aus zwei horizontalen Eisenbahnschienen, die Riffelblechplatten tragen. In einer Tiefe von 25 Metern unter Gelände befindet sich der Grundwasserspiegel. Es ist wahrscheinlich, dass der Grundwasserspiegel mit dem Havelspiegel korrespondiert. Über die Wasserqualität war wenig zu erfahren. Nach Äußerungen ehemaliger Mitarbeiter lieferte der Brunnen ein klares Wasser, das für Trinkwasserzwecke nutzbar war. Offenbar liegen hier bessere hydrogeologische Verhältnisse vor als am Schloss Sanssouci, dessen Grundwasser eisenhaltig war. Zur Wasserförderung installierte der Brunnenbaumeister im unteren Stockwerk eine Tiefkolbenhandpumpe, deren Steigrohr über Terrain endete. An dem Gewinde des Steigrohres war die Handschwengelpumpe, die aus schlichtem Gusseisen bestand. Einige Teile dieser Pumpe, einschließlich Handschwengel, befinden sich im Depot der Stiftung. Der lange schmiedeeiserne Schwengel lässt erkennen, dass ein Kunstschmied mitgewirkt hat. Dieser lange schwere Handschwengel hatte physikalische Gründe. Das Heben (Pumpen) der 20 Meter hohen Wassersäule einschließlich der Kolbenstange hat vom Küchenpersonal erhebliche Muskelkräfte abverlangt. Vom Brunnen des Schlosses Sanssouci ist überliefert, dass vier kräftige Personen die Pumparbeit bewältigten. Bei dem Babelsberger Brunnen waren wohl zwei Küchenkräfte tätig. Das Trinkwasser musste vom Brunnen zum Küchengebäude getragen werden. Im Winter wurde der sichere Umweg über den Tunnel zur Küche genutzt. Heute ist der unterirdische Gang durch Gittertüren versperrt. Das Küchengebäude hat seine einstige Funktion als Zweckgebäude verloren, es wird für Wohn- und Lagerzwecke genutzt. Der Babelsberger Schlossbrunnen ist ein interessantes historisches Bauwerk des Tiefbaues. Nach dem Mauerbau wurde er elektrisch erschlossen und als Reservebrunnen eingestuft. Insbesondere die Dimensionen dieses Brunnens, das angewandte Absenkverfahren und die hohe Qualität der Maurerarbeiten mit Radial- und Rollschichten verdienen besondere Aufmerksamkeit. Weil dieser Brunnen zu den ältesten erhaltenen Trinkwasserbrunnen gehört, sollte er denkmalpflegerisch geschützt werden.
Adolf Kaschube
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