Homepage: Der Vernunft den Weg ebnen Festschrift zum MMZ-Jubiläum verfasst
„Ich handle mit Vernunft“, soll der deutsch-jüdische Philosoph Moses Mendelssohn einem Offizier geantwortet haben, als der ihn mit der Frage provozierte, worin denn sein Handel bestünde und ob er „nichts zu schachern“ habe. Der Vorfall ereignete sich 1784.
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„Ich handle mit Vernunft“, soll der deutsch-jüdische Philosoph Moses Mendelssohn einem Offizier geantwortet haben, als der ihn mit der Frage provozierte, worin denn sein Handel bestünde und ob er „nichts zu schachern“ habe. Der Vorfall ereignete sich 1784. Mendelssohns ebenso schlagfertige wie scharfsinnige Antwort charakterisiert vortrefflich, worum es dem Begründer der Haskala, der Ende des 18. Jahrhunderts von Berlin ausgehenden jüdischen Aufklärung, vor allem ging: Die Menschen aufzurütteln und der Vernunft den Weg zu ebnen.
Auf diesem Weg folgt das Moses-Mendelssohn-Zentrum für europäisch-jüdische Studien (MMZ) in Potsdam seinem Namensgeber – und feiert an diesem Donnerstag sein 20-jähriges Bestehen. Gegründet wurde das interdisziplinär ausgerichtete Forschungszentrum mit Sitz am Neuen Markt von dem Historiker Julius H. Schoeps. Im MMZ erforschen Historiker, Literatur- und Religionswissenschaftler, Politik- und Kulturwissenschaftler sowie Soziologen und Pädagogen jüdische Geschichte, Religion und Kultur in Europa.
Anlässlich des 20. Jahrestages der Institutsgründung hat das Forschungszentrum nun eine rund 650 Seiten starke Festschrift herausgegeben, die einen Rückblick auf die geleistete Arbeit gibt. In 34 Aufsätzen vermitteln aktuelle und ehemalige Projektmitarbeiter einen Eindruck von den Themen der sechs MMZ-Forschungsschwerpunkte: Europäisch-jüdische Geschichte, Regional- und Sozialgeschichte, Europäisch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte, Antisemitismus- und Rechtsextremismusforschung, Zionismus und Geschichte des Staates Israel, Religions- und Geistesgeschichte, Soziologie des Judentums und Jüdische Migrationsgeschichte.
Der Titel des Bandes „... und handle mit Vernunft“ ist eine Verbeugung vor Moses Mendelssohn. Die Beiträge seien eine Bilanz der letzten 20 Jahre, im Sinne des MMZ-Credos, den Blick nach vorn auf unerforschtes Gebiet zu richten, so die stellvertretende MMZ-Direktorin Irene A. Diekmann.
Dazu gehört auch der Beitrag von Jutta Dick, Direktorin der Moses Mendelssohn Akademie in Halberstadt. Die Akademie widmet sich vor allem der Lehrerfortbildung und entstand 1995 mit Unterstützung des MMZ. Dick beschäftigt sich mit dem ehemaligen jüdischen Frauenbad in Halberstadt. Heute ist das Ritualbad Bestandteil des Berend Lehmann Museums. „Dem einzigen Museum in Deutschland, das sich mit preußisch-jüdischer Geschichte befasst“, so Schoeps.
Der Mendelssohn-Nachfahre Schoeps beschäftigt sich mit Mendelssohns Ansichten zum Verhältnis zwischen Staat und Religion sowie zum Umgang mit Minderheiten. Wobei er auf „erstaunlich aktuelle Antworten“ treffe. Auch der Umgang mit Nachlassbibliotheken wird wissenschaftlich beleuchtet. Von ihnen profitiert auch die MMZ-Bibliothek, die inzwischen rund 70 000 Bände umfasst.
Höchst aktuell bleiben die Texte zur Antisemitismus- und Rechtsextremismusforschung. „Ein Themenbereich, der sich in den vergangenen 20 Jahren stärker als gedacht entwickelt hat“, so Olaf Glöckner, Historiker und Israelwissenschaftler am MMZ. Aktuelle Anlässe dafür gebe es genug. „Da lohnt sich der genauere Blick auf kulturelle Milieus und die rechtsradikale Kultur.“ Um die Forschungsergebnisse des MMZ einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, veranstaltet des MMZ außer Konferenzen, Tagungen und Kolloquien auch Vortragsreihen, präsentiert neue Bücher, konzipiert Ausstellungen und entwickelt Lehrmaterialien für die politische Bildungsarbeit. In den vergangenen Jahren kam das Forschungszentrum auf 78 Tagungen, was Direktor Schoeps mit Stolz erfüllt (siehe Interview). Ein besonderes Augenmerk legt das MMZ auf die brandenburgisch-preußische Geschichte.
Zum Jubiläum wird aber nicht nur Rückschau gehalten. Auch Zukunftspläne stehen an. So geht es beispielsweise um ein Moses Mendelssohn Institut an der Universität Zagreb, das sich mit Geschichte und Kultur der Juden in Mittel- und Südeuropa beschäftigt – also von Prag bis zum Balkan.Das Projekt sei gerade auch vor dem geplanten EU-Beitritt Kroatiens sehr spannend, so Schopes. Das Konzept für Zagreb entstand in Potsdam. Das Institut in Kroatien werde eng mit dem MMZ kooperieren, aber doch selbstständig sein, erklärt Schoeps. Ende Februar reisen Glöckner und Schoeps zu ersten Gesprächen nach Kroatien. Maren Herbst
Maren Herbst
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