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Forschungen zum Jagdschloss Stern: Der verschwundene Pavillon

Der Potsdamer FH-Absolvent Franco Giesecke forschte zur Umgebung des Jagdschlosses Stern - und hat dabei geradezu Magisches herausgefunden.

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Potsdam - Eine Glasscheibe könnte des Rätsels Lösung sein. Kein profanes Fensterglas natürlich, eher ein gläsernes Kunstwerk. Immer, wenn er vom Jagen kam, konnte der König die kleine Kostbarkeit sehen. Am Jagdschloss Stern, im Oberlicht des Eingangs zum Saal, war die Scheibe eingebaut. Heute ist sie nicht mehr da. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Glas ins damalige Berliner Schloss Monbijou ausgelagert, erzählt Franco Giesecke.

Der 29-Jährige hat im vergangenen Jahr seine Masterarbeit zum barocken Gebäudeensemble am Jagdschloss Stern geschrieben. Die Arbeit ist ihm so gut gelungen, dass er dafür vom Verein Berliner Kaufleute und Industrieller mit dem Wissenschaftspreis ausgezeichnet wurde. Im November wird die Verleihung sein.

Forschungen um das Jagdschloss Stern

Aber zurück zur verschwundenen Scheibe. Die Jahreszahl 1714, dazu ein Stern mit dem Spruchband „suum cuique“ (zu deutsch: Jedem das Seine), der Name „Friedrich Wilhelm“ sowie eine Königskrone waren damals auf dem Glas abgebildet. So berichtet es jedenfalls die historische Literatur. Für Giesecke spielt die Scheibe eine wichtige Rolle in seinen Forschungen zur Geschichte des Gebäudeensembles rund um das Jagdschloss Stern, das heute neben den benachbarten Wohnhäusern aus DDR-Zeiten ein wenig deplatziert wirkt.

Giesecke hat an der Fachhochschule Potsdam Architektur und Städtebau studiert. Er wollte in seiner Arbeit wissen, wie sich das barocke Bauensemble und das sternförmige Wegenetz in der Parforceheide historisch entwickelt haben. Die Scheibe aus dem Oberlicht des Jagdschlosses könnte Aufschluss über die Entstehungszeit eines Hauses geben, das sich vor Jahrhunderten einige Meter links vom Schloss entfernt befand – dem sogenannten königlichen Pavillon.

Scheibe "ein echt interessanter Ansatzpunkt"

Von dessen einstiger Existenz wusste Giesecke zu Beginn seiner Forschungen noch gar nichts. Die kunstvolle Scheibe im Jagdschloss könnte, so Gieseckes Vermutung, aus diesem längst abgerissenen Haus stammen. Denn die Jahreszahl 1714 ergibt für das Jagdschloss keinen Sinn. Es wurde erst Anfang der 1730er-Jahre gebaut, sagt Giesecke. Hätte man die Scheibe, könnte man sie genau untersuchen. „Das wäre ein echt interessanter Ansatzpunkt, wo man weitermachen könnte“, sagt der junge Mann.

Vielleicht hängt das verzierte Oberlicht heute in irgendeinem Privathaus, vielleicht auch in der Eremitage in St. Petersburg, mutmaßt Giesecke. Schließlich hätten die Sowjets auch Kulturgut aus Schloss Monbijou mitgehen lassen. Das heute in einem relativ schlechten Zustand erhaltene Kastellanhaus rechts vom Schloss könnte ein Zwilling des verschwundenen königlichen Pavillons links vom Schloss sein. Friedrich Wilhelm I. habe sicher auf die Symmetrie geachtet, erklärt Giesecke. Das Kastellanhaus war zu DDR-Zeiten eine beliebte Gaststätte.

Sternförmiges Wegenetz bestand aus 16 Wegen

Auch zum barocken Wegenetz in der Parforceheide hat Giesecke, der heute in einem Potsdamer Architekturbüro arbeitet, in seiner Masterarbeit geforscht. Das sternförmige Wegenetz, dessen Mittelpunkt sich auf dem Platz vor dem Jagdschloss befindet, bestand Gieseckes Erkenntnissen zufolge früher aus 16 Wegen, die von hier aus in die Parforceheide führten. Heute gibt es nur noch acht.

Das Gebiet, in dem der ausgewiesene Jagdfreund Friedrich Wilhelm I. hier hoch zu Ross dem Wild nachsetzte, erstreckte sich im 18. Jahrhundert bis nach Güterfelde und Ahrensdorf. Mit Pferden und Hunden habe man bei den Parforcejagden die Wildtiere gehetzt und schließlich zur Strecke gebracht, so Giesecke. Der Wald hatte kaum Unterholz. König und Gefolge ritten quer durchs Gelände. Über das System der sternförmigen Wege fand die Jagdgesellschaft immer wieder zurück zum Schloss.

Geometrische Beziehungen in Potsdam

Und noch etwas geradezu Magisches hat Giesecke bei seinen Forschungen festgestellt: Der verschwundene königliche Pavillon war so positioniert, dass er mit seiner Vorderfront genau über den Kleinen Ravensberg bis hin zum Schloss Caputh zeigte. Natürlich konnte man wegen der Entfernung beider Häuser und dem Berg dazwischen nicht von Fenster zu Fenster schauen. Auch anderswo in Potsdam gebe es solche geometrischen Beziehungen. Es wäre ein neues Thema, sagt Giesecke: Potsdam als perfekt durchkonstruierte Idealstadt.

Am Sonntag, dem 20. September, ab 11 Uhr veranstalten der Förderverein des Jagdschlosses und der Brandenburger Huntingclub eine nachgestellte Parforcejagd. Treffpunkt: Jagdschloss Stern

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