Von Erhart Hohenstein: Der Weise von Babelsberg
Sternenforscher Bruno H. Bürgel im „Jahr der Astronomie“ vom Planetarium gewürdigt
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Der Volksastronom und Schriftsteller Bruno. H. Bürgel, der von 1915 bis zu seinem Tode 1948 in Babelsberg lebte, bleibt ein Leitbild für das Potsdamer Urania-Planetarium. Dies erklärte dessen Leiter Rolf König. Mit seinem Vorgänger, dem Bürgel-Biographen Arnold Zenkert, bringt er den Besuchern in Vorträgen die wissenschaftlichen Leistungen und das Leben des „Weisen von Babelsberg“ nahe, der sich als Autodidakt vom Arbeiter zum Astronomen weitergebildet hatte.
Zu den Veranstaltungen wird eine Besichtigung der im Planetarium in der Gutenbergstraße untergebrachten Bürgel- Gedenkstätte angeboten. Hier erschließt sich die ungewöhnliche Persönlichkeit des Sternenforschers und Volksschriftstellers, dessen Bestseller wie „Du und das Weltall“, „Aus fernen Welten, „Der Mensch und die Sterne“, aber auch philosophische Schriften und Kinderbücher in 22 Millionen Exemplaren erschienen waren. Von hoher Bedeutung sind die 3000 Pressebeiträge und 3350 erhaltenen Briefe, seine Zeichnungen und Fotos, die im Archiv der Gedenkstätte aufbewahrt werden. Arnold Zenkert hat dieses Archiv in den letzten Jahren aufgearbeitet und für die Forschung erschlossen. Dieses Angebot werde angenommen – übrigens auch von einem SED-Althistoriker, der Bürgel ein „öffentliches Bekenntnis zum nationalsozialistischem System“ unterstellte und damit eine Kontroverse auslöste.
Mit Hilfe des Archivs kann unter anderem an vielen seiner Briefe die ablehnende Haltung des Sternenforschers zu den Nazis nachgewiesen werden. Für verfolgte Juden, in Gewissensnot geratene Soldaten, Kriegerwitwen, viele Kinder wurde er zum Ratgeber und zu einer verehrten Vertrauensperson. Als anekdotisches Beispiel fügt Arnold Zenkert hinzu, dass Bürgel seinem Freund, dem Direktor der Babelsberger Sternwarte Prof. Paul Guthnick, die Tür wies, als der bei ihm in SA-Uniform erschien. Unter anderem durch seine Helligkeitsmessungen von Sternen und die Einführung der fotografischen Himmelsüberwachung zählte Guthnick, der sich später vom NS-Regime distanzierte, zu den bedeutendsten deutschen Astronomen.
Einem historisch korrekten und vollständigen Bürgel-Bild dient ebenso der Vortrag, den Arnold Zenkert am 31. August im Ehm-Welk Museum Angermünde auf dem Kolloquium zum 125. Geburtstag des Verfassers der „Heiden“ und der „Gerechten von Kummerow“ halten wird. Die Tagung untersucht das Demokratieverständnis des Schriftstellers. Bürgel war ein enger Mitarbeiter der „Grünen Post“ Ehm Welks, der 1934 in einem Artikel „Auf ein Wort, Herr Minister!“ die Pressezensur unter Propagandaminister Goebbels kritisierte und dafür im KZ Oranienburg interniert wurde.
Unter Berücksichtigung der Gesamtpersönlichkeit, stellte Rolf König klar, gehe es im „Jahr der Astronomie“ dem Potsdamer Planetarium jedoch vordergründig um die Verdienste Bürgels in der Astronomie und deren Kenntnisvermittlung. Der Babelsberger Sternenforscher habe sich seinerzeit auch mit den Anlässen des diesjährigen Jubiläums beschäftigt: Vor 400 Jahren veröffentlichte Kepler seine „Astronomia nova“, eines der bahnbrechendsten Bücher über unser Sonnensystem. Im selben Jahr erfand Galilei das erste sternentaugliche Teleskop.
Ganz im Sinne des Volksaufklärers Bürgel bemühe sich das Planetarium besonders um die Vermittlung astronomischer Kenntnisse an die Jugend, erklärte König. Dazu bestehe eine enge Verbindung mit dem Helmholtz-Gymnasium. Regelmäßige Kontakte gebe es zu den vier Sternwarten und den sieben Schulen, die in Deutschland Bürgels Namen tragen. Dabei spielt die Grundschule in Babelsberg, die über eine Beobachtungsstation verfügt, eine besondere Rolle. Zwar koste es Anstrengungen, die Erinnerung an den Astronomen, Schriftsteller, Volksaufklärer und Philosophen auch bei der jüngeren Generation wachzuhalten, räumt Arnold Zenkert ein. Der 85-Jährige will dazu beitragen, indem er seine 1996 erschienene Biographie ergänzt, erweitert und mit einem wissenschaftlichen Anhang versieht. Dass Bürgel nicht vergessen ist, bezeugen Einladungen zu Vorträgen zwischen Hamburg und dem schweizerischen Basel. Und dann gebe es deutschlandweit 56 nach Bürgel benannte Straßen, fügt Zenkert hinzu.
Erhart Hohenstein
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