
© Roland Weihrauch, dpa
Potsdamer Kanute: Der Wellenreiter
Die Karriere von Stefan Kiraj ging mal hoch, mal runter. Jetzt will der Kanusprinter oben bleiben.
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Wenn Stefan Kiraj richtig schnell ist, geht Potsdam unter. Der Kanute hat sein Canadier-Boot mit der Potsdamer Skyline verziert – wenn der 25-Jährige sich ins Zeug legt, taucht das Heck ab und Potsdam wird zu Atlantis. Je mehr die Potsdamer Sehenswürdigkeiten also baden gehen, desto besser ist der Sprinter unterwegs. Erst am vergangenen Wochenende „flutete“ Kiraj die Glienicker Brücke – beim diesjährigen Weltcup-Auftakt in Mailand sprintete er auf der 200-Meter-Strecke auf den zweiten Platz.
„Das war ein gelungener Start in die internationale Saison“, sagt Kiraj, der in diesem Jahr die Europameisterschaften in Brandenburg/Havel und im August die Weltmeisterschaften in Moskau im Visier hat. Die vergangenen Jahren glich die Karriere des Potsdamers eher einem Wellengang: mal oben, mal unten. „Ein Jahr fuhr ich vorneweg, das andere hinterher“, reflektiert er selbst und meint bei der Erklärungssuche: „Vielleicht war ich mir nach einem erfolgreichen Jahr zu sicher und hab es im Training zu locker genommen.“ Vielleicht liege es auch an seinem Naturell: „Ich schieb gern Sachen vor mir her, denke immer, dass noch Zeit ist“, sagt er. Doch habe er das als wichtige Erfahrung verbucht, „sodass ich in diesem Winter im Training konzentrierter war“, sagt Kiraj. Bislang scheint sich das auszuzahlen. Gleich mit dem ersten Nominierungsrennen des Deutschen Kanuverbandes Mitte April in Duisburg buchte Kiraj sein Ticket für die drei Weltcup-Regatten in Mailand, übernächste Woche in Racice und Ende Mai in Szeged. Damit erhöht Kiraj sein Weltcup-Konto auf zehn Starts.
Der Potsdamer nennt die internationalen Rennen kleine Schritte auf dem Weg nach Rio, wo 2016 die Olympischen Spiele sein Ziel sind. In der noch jungen Sprint-Disziplin im traditionsreichen Kanusport – die 200-Meter-Distanzen ist erst 2009 ins Olympische Programm aufgenommen worden – kämpfen die deutschen Paddler noch um Anschluss an die Weltspitze. Kiraj selbst nutze jedes Rennen, um sich auszuprobieren.
Viel Zeit hat er dabei nicht: 40 Sekunden braucht die Weltspitze für die 200 Meter. Eine Zeit unter 40 Sekunden sei vergleichbar mit einem 100-Meter-Sprint unter zehn Sekunden in der Leichtathletik – vergangenes Wochenende in Mailand hat Kiraj das geschafft. Am Start, so schildert er, schleiche sich meist etwas Angst vor dem Schmerz, der gleich zu spüren sein werde, ins Boot. „Aber darauf bin ich durch das Training vorbereitet“, sagt er. Nach dem Startschuss hoffe er, dass die ersten Paddelschläge sitzen: 58-mal zieht er das Stechpaddel über 200 Meter durchs Wasser, wobei ihm der Sprint unendlich lang vorkomme. „Man fährt und fährt und fährt“, sagt Kiraj. Die anderen Boote sehe er nur rechts und links aus den Augenwinkeln. „Und auf den letzten Metern bete ich, dass ich die Frequenz halten kann.“
Dass er die Kunst, in einem schmalen Boot kniend möglichst schnell zu paddeln, besser kann als viele andere, hat er mit etwa elf Jahren gemerkt. Zumindest habe er da mit Kanurennsport angefangen. „Dass ich gut bin, ist eher anderen aufgefallen“, sagt er. Zunächst habe er es kurz mit Judo probiert, aber Paddeln war irgendwie naheliegend, sagt der gebürtige Spremberger: „Wir haben direkt an der Spree gewohnt, wo oft Wettkämpfe im Kanuslalom stattfanden und der Wettkampfsprecher bis zu uns nach Hause zu hören war.“ 2002 kam Kiraj zum KC Potsdam, um sich einzureihen auf der Traditionslinie, die zuvor Potsdams erfolgreiche Canadierfahrer wie Jürgen Eschert, Ulrich Papke, Ingo Spelly oder Gunar Kirchbach gezogen hatten.
Mit 25 Jahren gehört Kiraj zu den eher jungen Athleten, „aber als Sprinter ist man da gerade in dem Alter, wo eine gute Mischung aus Kraft und Erfahrung den Erfolg ausmachen kann“, sagt er. Bei der EM und WM in diesem Jahr tragen die Favoritenrollen andere, „ich kann nur überraschen“, sagt Kiraj. Und genau das erwarte er von sich selbst.
Potsdam indes wird bald nicht mehr untergehen. Nach den Weltcup-Rennen Ende Mai bekommt Kiraj ein neues Boot, das in einer polnischen Werft gebaut wird. „Der Lackierer hat schon gesagt, dass er bei einem so aufwendigen Bild nicht mehr mitmacht“, sagt Kiraj. Also wird es nur eine Welle als Verzierung geben – auch das passt ganz gut zu Stefan Kiraj.
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