ATLAS: Der Wettergott
Henri Kramer sinniert über sinkende Besucherzahlen am 1. Mai
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Am Wetter soll es also liegen. Damit hat Gewerkschaftsboss Detlev Baer die sinkenden Besucherzahlen bei der 1. Mai-Feier in Potsdam begründet. Die Leute würden bei schönstem Sonnenschein wohl lieber grillen oder bei der Baumblüte in Werder feiern. Es ist zu vemuten, dass Baer die niedrige Gästezahl auch im Falle von Regen auf das Wirken des Wettergotts geschoben hätte. Das Paradoxe: Beim „Rhythm against Racism“-Festival am Abend zuvor waren mehr junge Potsdamer als im vergangen Jahr, obwohl es ab 20 Uhr empfindlich kühl wurde. Was das bedeutet? Die Gewerkschaften – und mit ihnen die veranstaltenden Parteien SPD, Linkspartei.PDS und die Grünen – sollten sich vor der nächsten Mai-Feier ernsthaft überlegen, ob der „Tag der Arbeit“ noch so begangen werden muss wie vor zehn, zwanzig Jahren. Denn Würstchenbuden, Bierstände, ein bemüht komisches Kabarett, kaum bekannte Musiker sowie ein paar Info-Stände reichen heute eben nicht mehr unbedingt aus, Menschen für an sich wichtige Anliegen wie Mindestlöhne zu interessieren. Das zumindest hat die Gewerkschaftsjugend begriffen, die ihr Rock-gegen-Rechts-Festival mit coolen Bands besetzte, nebenbei politische Inhalte vermittelte – und nicht den Wettergott bemühen musste.
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