Landeshauptstadt: Der Zahn vom Jungfernsee
Auf dem Plattner-Campus wurden Mammutüberreste gefunden. Dort entsteht ein zweites SAP-Zentrum
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Nauener Vorstadt - Sogar den halben Zahn eines Mammuts hat Jonas Beran gefunden. Der Archäologe und sein Team suchen gerade das Gelände am Jungfernsee ab, auf dem der Software-Milliardär Hasso Plattner zwischen Nedlitzer Straße und Bertiniweg in ein neues Wohn- und Gewerbegebiet investiert. Derzeit ist der Campus am Jungfernsee aber noch weitgehend eine staubige Brache. „Für uns ist das hier ein Schlaraffenland“, sagte Beran bei einer Baustellenbesichtigung am Freitag – und zeigte dabei auf ein halbes Dutzend Kisten mit Splittern, Steinen und anderen Zeugnissen der Vergangenheit. Alle sieben Tage können seine Kollegen und er den besten Fund der Woche küren.
Dass die archäologischen Grabungen so ertragreich sind, liegt laut Beran an zwei Voraussetzungen. Zum einen sei zur Nutzung des Geländes als einstiger Kasernenstandort tonnenweise Erde aufgeschüttet worden – dadurch wurden die Spuren früherer Epochen geschützt und vor Zerstörung bewahrt. Zum anderen sei laut Beran die Gegend am Jungfernsee offensichtlich bereits in der Jungsteinzeit von 5500 bis 2200 vor Christus ein bevorzugtes Siedlungsgebiet gewesen. Aus dieser Epoche fanden sich einzelne Häuser und Gräber. „Ich glaube, damals lebte hier mehrere Generationen lang eine große Familie“, sagte Beran. Allerdings seien bis auf ein Gefäß mit Asche und Knochenresten keine Gräber aus dieser Zeit gefunden worden – dafür aber etwa ein Faustkeil oder ein Reibestein zum Zermahlen von Getreide.
Beran – der in Potsdam schon am Alten Markt und anderen Orten nach Relikten der Vergangenheit gegraben hat – kann auch über Fundstücke vom Jungfernsee aus neueren Epochen der Menschheitsgeschichte berichten – etwa von einer Speichergrube aus der Bronzezeit. Das versteinerte faustgroße Stück Mammutzahn ist hingegen mindestens zehntausend Jahre alt. Rätselhaft sind mindestens 200 erhaltene Feuergruben aus der Slawenzeit von 600 bis 1200 nach Christus, die jeweils genau zehn Meter voneinander entfernt ausgehoben wurden: „Das ist ein einmaliger Fund.“ Beran hat inzwischen eine Theorie: Karl der Große, der 800 als erster westeuropäischer Herrscher seit der Antike die Kaiserwürde erlangte und sein Fränkisches Reich bis nach Bayern und Österreich ausdehnte, könnte auf einem seiner Feldzüge mit seiner Armee auch längere Zeit in Potsdam gerastet haben. „Das könnte die Feuerstellen erklären“, sagte Beran. In etwa drei Wochen sind die Grabungen abgeschlossen, später soll eine Broschüre alle neuen Erkenntnisse über die Geschichte des Gebiets zusammenfassen.
Wenn die Archäologen fertig sind, wird die heutige Brache komplett umgebaut. Im nördlichen Teil steht bereits das Innovationszentrum von Plattners Software-Riesen SAP – dieser will seine Denkfabrik nach Konzernangaben bis 2016 noch um ein weiteres Gebäude erweitern. Damit könnten 100 weitere Arbeitsplätze entstehen, sagte Klaas Vollbrecht, dessen Beratungsunternehmen Asenticon für Plattner den Campus entwickelt. Dieser ist mit geschätzten Investitionskosten von rund einer halben Milliarde Euro das größte Projekt des Mäzens in Potsdam. Allein die geplanten bis zu 90 Villen und 60 Eigentumswohnungen sollen rund 350 Millionen Euro kosten. Vollbrecht sagte, ob noch mehr Gebäude entstehen, hänge von der Nachfrage ab. Bei der für Oktober geplanten Immobilienmesse „Expo Real“ in München werde man mit der Campus-Vermarktung beginnen.
Derweil sucht die Stadt händeringend nach Möglichkeiten, wie sich die geplante Verlängerung der Straßenbahnstrecke von der Viereckremise an den Jungfernsee finanzieren lässt. Baudezernent Matthias Klipp sagte den PNN, mit Lösungen sei eine Arbeitsgruppe betraut. Er hege die Hoffnung, dass die Tramanbindung im Jahr 2017 fertig sein könnte. Derzeit fahren dort nur Busse.
Zum Plattner-Campus dazu gehören wird auch ein zum Teil doppelt geführter Uferweg für Radfahrer und Fußgänger. Dieser wird bereits ab der kommenden Woche gebaut und – für zum Beispiel Rollstuhlfahrer barrierefrei – auf einer Länge von 1,5 Kilometer zwischen Bertiniweg und Fahrländer Brücke verlaufen. So wird der öffentliche Fuß- und Radweg auf dem ehemaligen Kasernengelände als Schlechtwetterweg aus Asphalt geführt. Streckenweise schlängelt sich hingegen ein möglichst naturnah angelegter Pfad direkt am Ufer entlang. Bauherr ist der Entwicklungsträger für das Bornstedter Feld, eine Tochter der kommunalen Pro Potsdam. Die Kosten für Planung und Bau belaufen sich auf rund 2,5 Millionen Euro. Im nächsten Frühjahr soll der Weg dann offiziell für die Potsdamer zur Verfügung stehen – auch als ein Teil des Mauerwegs rund um Berlin entlang der ehemaligen Grenze zwischen West-Berlin und der DDR. „Später soll dieser Radweg noch nach Krampnitz verlängert werden“, sagte Klipp.
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