Homepage: Der Zwang zum Schönsein
Eine Doppelausstellung im studentischen „KuZe“ thematisiert Sexismus in der Werbung und im Alltag
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„Ex und Hopp“, ist die Anzeige einer Biermarke betitelt. Dazu räkelt sich eine kaum bekleidete, blonde Frau im Bett. Der Mann auf dem Bild hat sein Hemd schon ausgezogen. Darunter stellen die findigen Werbetexter die Frage, „Was dagegen?“ Sahra Dornick hat was dagegen. Die Soziologie-Studentin hat mit weiteren Mitgliedern der Arbeitsgruppe „Sexismus in der Werbung“ eine Doppelausstellung im studentischen Kulturzentrum „KuZe“ organisiert. „Wir sind ständig mit sexistischer Werbung konfrontiert“, so Dornick. Die Ausstellung thematisiert diese Situation, die wir im Alltag kaum noch bewusst wahrnehmen. Während im Erdgeschoss ein Berliner Projekt das Thema eher theoretisch angeht, erlebt der Besucher beim Gang in den ersten Stock eine wahre Reizüberflutung.
Die gewundene Treppe in die oberen Räume des „KuZe“ ist zu einem „Tunnel“ geworden. Hundertfach blicken einen schöne Menschen an, die für Parfüm, Fernsehzeitungen, Uhren und sogar Reifen werben sollen. AStA-Mitglieder der Universität und engagierte Studierende aus Potsdam haben das Material gesammelt, sagt Sahra Dornick. Die Vielfalt der Bilder ist beeindruckend. Sie erstreckt sich über die gesamte erste Etage des „KuZe“. Die Spannweite reicht dabei von ironischen Provokationen bis zu reiner Pornographie. Es soll in der Ausstellung aber nicht nur um Sexualität gehen, erläutert Dornick. Es gehe eher um eine kritische Diskussion von Hierarchien in der Gesellschaft. Dafür sei die Werbung ein Symptom. Es sei aber nicht immer leicht, diese Hierarchien zu erkennen und zu entschlüsseln, gibt Dornick zu bedenken.
Als Beispiel nennt sie eine sehr erfolgreiche Kampagne für Körperpflege. Die Firma hielt sich zugute, dass sie keine Models für ihre Werbung verwendete. Sondern „normale“ Frauen. „Die Frauen erscheinen trotzdem in Unterwäsche“, wendet Dornick ein. Soll das nun „gute“ sexistische Werbung sein? Die Ausstellung will solche Fragen stellen, ohne einfache Antworten zu geben. Sie soll Besucher und Kneipengäste aufrütteln. Wer das Gespräch sucht, kann dann einen der begleitenden Vorträge oder einen Workshop besuchen.
Gibt sich „Sexismus in der Werbung“ eher nachdenklich, so ist die Studentenkneipe im Erdgeschoss zu einem Raum voller kämpferischer politischer Thesen geworden. Mit dem Begriff „Anti-Lookism“ will das Berliner „Projekt L“ gegen Schönheitsideale vorgehen. „Schönheit ist entweder was wir sind, oder sie ist unser Feind“, lautet einer der Sprüche an der Wand. Dort hängt auch eine hilflose Barbie-Puppe. „Riots, not diets“, fordert ein Aufkleber daneben. Da fragt sich der zaghafte Besucher, ob hier nicht wieder Feindbilder aufgebaut werden. Doch der Kontrast zwischen den beiden Ausstellungskonzepten ist reizvoll. Man kann im Erdgeschoss bei einer Flasche Bier die kämpferische Theorie studieren. Sogar die Bierdeckel drücken hier unter dem Motto „Deckelt Sexismus!“ Protest aus. Im ersten Stock erscheint dann die gesellschaftliche Praxis der Werbung und ihrer Motive.
Die Doppelausstellung hatte eine Vorbereitungszeit von etwa zwei Jahren, erläutert Sahra Dornick. In dem „Reader zur Doppelausstellung“ dokumentiert die „AG Sexismus in der Werbung“ den Protest, den sie gegen das Werbemotiv einer Fernsehzeitschrift einlegte. Das Ergebnis: Die Zeitschrift musste ihre Kampagne, die einen „erfolgreichen“ weißen Mann und eine „exotische“ afrikanische Frau zeigte, rechtfertigen. Die Kampagne wurde schließlich eingestellt.
An der Doppelausstellung ist nicht nur die „AG Sexismus in der Werbung“, sondern auch die Initiative „QueerUP“ beteiligt. Letztere ist eine „LesBiSchwule Hochschulgruppe“ an der Uni, die aber auch mit der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ (HFF) und Berliner Uni vernetzt ist. Sahra Dornick betont, dass sich die Ausstellung aber nicht nur an Studierende wendet. Vielmehr könnten alle interessierten Potsdamer täglich ab 20 Uhr das „KuZe“ besuchen. „Auch und gerade diejenigen, die solche Werbung akzeptabel finden“, lädt die Studentin zum Gedankenaustausch ein. Mark Minnes
Bis Ende Januar im „KuZe“, Hermann-Elflein-Str. 10 (ab 20 Uhr). Veranstaltungen und Reader: kuze-potsdam.de
Mark Minnes
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