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Homepage: Designer mit Herz

Reto Wettach ist Professor für Interaction- und Interface-Design an der FH

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Die Frage nach dem Herz, das Reto Wettach auf der Wange tätowiert ist, kommt garantiert immer. In Reto Wettachs Gesicht hat das kleine blaue Herzchen eine sehr hohe „Usability“, würde der Interface Designer wohl sagen. Gebrauchsfähigkeit. Ein charmanter Blickpunkt, der „sehr viel früher entstanden ist“, wie Wettach ein wenig verlegen einräumt. Früher als seine Steinmetzausbildung in einem Traditionsbetrieb in Freiburg, früher als seine Entscheidung, doch nicht Künstler zu werden, sondern an der UdK in Berlin Design zu studieren. Und früher als seine beruflichen Schritte quer über den Globus des guten Geschmacks. Italien, London, Dänemark, Ankara, San Francisco. Dann lange Japan. Das Herz sei mittlerweile für ihn nur noch von großem Vorteil. Selbst flüchtigste Bekanntschaften erinnerten sich auch Jahre später sofort wieder an ihn.

Das Herzchen ist ein unkonventionelles Markenzeichen eines unkonventionellen Mannes. Fünf Jahre lang lebte Wettach mit seiner Frau in Japan und arbeitete dort am Sony Science Lab. Als „unglaublich inspirierend“, beschreibt Wettach die Zeit, in der er Designforschung betrieben und Produkte zur Serienreife geführt hat. In der fremden Kultur stellte er fest, dass „Dinge, die man als gegeben ansieht, auch ganz anders funktionieren können.“

Die Heimkehr nach Deutschland gestaltete Wettach auch ganz anders. „Wir haben das richtig zelebriert“, erinnert er sich. Das Paar, das Japan mittlerweile besser kannte als die Heimat, reiste ein halbes Jahr durch das Land. Ohne Plan, ohne Karte. Einzig geleitet von dem Prinzip der „Serendipity“, was so viel bedeutet, zum Ziel zu gelangen, ohne es vorher überhaupt zu kennen. Das funktionierte so gut, dass man beschloss, ein Buch über die „Übersehenen Sehenswürdigkeiten“ zu schreiben, die man antraf. Kuriositäten, Extreme, Auffälligkeiten, die ein neues Gesicht unseres Landes zeigen.

Wettach ist nun seit fast einem Jahr Professor an der FH. Er und seine drei Kollegen lehren die Gestaltung von Schnittstellen, auf Englisch interfaces, zwischen Mensch und Computer. Der Studiengang ist in Deutschland einmalig, Anfang Oktober wird er in der WM-Kampagne „Land der Ideen“ präsentiert. Ein Computer steckt heutzutage meistens dahinter, wenn Mensch auf Maschine trifft. Das Handy entwickelt sich z. B. durch die Arbeit der Interface-Designer gerade zu einem Multifunktionsgerät. Sie gestalten die Icons und machen sich Gedanken darüber, welche unterschiedlichen Bedürfnisse Jugendliche und alte Menschen bei seiner Benutzung haben.

Längst ist die Zeit vorbei, dass ein Computer nur ein braungrauer Kasten war. Im Bachelor- und Mastersstudiengang „Interface Design“ gilt nicht mehr das alte Bauhaus-Credo, dass die Form schlicht und einfach der Funktion folgen müsse. In dem Raum zwischen Form und Funktion liegend wichtige soziale Aspekte. „Es geht um Emotionen, und darum, die Leute bei der Benutzung abzuholen“, weiß Wettach. Er zeigt als Beispiel einen Anrufbeantworter. Anstatt durch die Anzeige von digitalen Ziffern die Zahl der eingegangenen Anrufe wiederzugeben, rollt beim Murmel-Anrufbeantworter pro Nachricht eine Kugel aus einem Loch auf eine Schiene. Die kann man anfassen und mitnehmen, um sich besser zu erinnern.

„Computertechnik ist etwas, das für den Menschen gemacht ist, deswegen müssen die Designer mehr eingebunden sein“, sagt Wettach. Ein herkömmlicher Computer verlange viel Konzentration von seinem Benutzer. Mit dem Finger bewegen wir die Maus, mit den Augen sehen wir auf den Bildschirm. „Wir sind aber gar nicht so“, meint der Designer. Wir lassen uns häufig ablenken, schauen auf, wollen die Hände frei haben. Am Campus an der Pappelallee arbeiten die Interface-Designer deswegen am Computer der Zukunft. An Handtaschen, die durch den Einsatz von Funktechnik zu vibrieren anfangen, wenn man das Portemonnaie nicht eingesteckt hat. An Mixed-Reality-Spielen, bei denen sich Teilnehmer in der wirklichen und in der virtuellen Welt befinden. Oder an benutzerfreundlichen Internet-Seiten. „Internet 2.0“ nennt Wettach diese neue Generation, die eine „leichte Euphorie“ ausgelöst habe. Webadressen, auf denen sich Gemeinschaft neu bilden, wie die Onlinetagebücher „blogs“, oder flickr.com, auf denen Nutzer auf der ganzen Welt ihre Fotos teilen.

„Ich habe viel Glück mit meinem Beruf gehabt“, sagt Reto Wettach. Der Wechsel von dem angesagte Weltunternehmen Sony mit seinem coolen Design zum Hochschullehrer in Potsdam? Hier gäbe es für Designer eine „traumhafte Ausstattung.“ Die Hochschule etabliert gerade ein Forschungsinstitut für Interaction Design, an dessen Arbeit die Industrie starkes Interesse habe. Die Studenten sind talentiert und motiviert. Sie werden am Markt gefragt sein. Einer von ihnen hat gerade ein langes Telefonat mit einem der größten Designcenter in den USA geführt. Der Professor mit dem Herzen lacht deshalb und sagt: „Ich finde es hier auch cool.“

Matthias Hassenpflug

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