Etwas HELLA: Dicke Poller und dünne Polizisten
Unsere Kollumnistin über eine ganz besondere Ecke Potsdam und die Lenkung von Verkehrsströmen.
Stand:
Als ich las, dass die Stadt kein Geld hat, um die Brandenburger Straße abzupollern, war ich richtig froh. Die Eisenpfosten würden mir ein Lieblingsvergnügen nehmen, das mir von Zeit zu Zeit der dicke Polizist beschert. Gewichtig als Figur und Respektsperson hindert er die Autofahrer daran, über die Brandenburger Straße zu rollen. Die ist Fußgängerzone. Nicht erst seit gestern und heute, sondern seit über 40 Jahren. Ist er im Dienst, klingelt tüchtig die Kasse, denn die Zahl der Wegeabkürzer, die schnell mal über die Brandenburger fahren, nimmt immer mehr zu. Aber der Dicke geht bald in Rente und dann gibt es womöglich nur noch dünne Polizisten, die nicht so viel schwergewichtiges Engagement in die Straße stellen können. Oder es gibt gar keine mehr für eine solche Aufgabe, weil gespart werden muss.
Bitte glauben Sie jetzt nicht, dass Schadenfreude eine meiner liebsten Freuden ist. Aber was geschrieben steht, sozusagen in Schilderblech gegossen, das muss auch befolgt werden. Oder eben Geld kosten. Außerdem ist es ein spannendes Schauspiel, zu sehen, ob ein Autofahrer noch rechtzeitig die Kurve kriegt, wenn er die Polizeiuniform sieht oder abgebremst und schuldbeladen genau in die Kostenfalle hineinrollt.
Leider kann ich von meinen Beobachtungsposten nicht verstehen, welche Ausreden der Ertappte vorbringt und ob die wenigstens von Einfallsreichtum zeugen. Ums Hörerlebnis gebracht, denke ich mir eben selbst Ausreden aus. Zum Beispiel die, dass ich als Ortsfremder bei der unübersichtlichen Verkehrsführung schon so lange in der City herumirre, dass ich geradezu um die Strafe bettele, dafür aber wenigstens schnell über die Brandenburger huschen möchte. Gestattet der Dicke aber nie!
Die Idee der Potsdamer Stadtverwaltung, die Fußgängerzonen-Verkehrszeichen besser ins Blickfeld zu rücken, halte ich für reine Geldverschwendung. Wer Verbote übertreten will, fällt eher über ein Schild und holt sich eine Beule, als dass er haltmacht. Stattdessen fände ich es sinnvoll, doch einmal über lebendige Straßenpoller nachzudenken. Vielleicht könnten Freiwillige für ein angemessenes Entgelt die Straßenecken überwachen, die Kelle schwingen und Knöllchen verteilen? Das hätte abschreckende Wirkung, würde hübsche Einnahmen bringen und ich hätte trotzdem einen unterhaltsamen Nachmittag.
Aber nicht alle Probleme lassen sich offenbar auf lebendige Weise abpollern. Beim Hafenbecken plädiere ich eher für eine Bürgerbefragung, die ja beim Schwimmbad Brauhausberg zu erstaunlichem Ergebnis geführt hat. Wollen die Potsdamer eine gestärkte Weisse Flotte und einen Restaurantneubau im Hafenbecken oder lieber einen immer historischer werdenden Lustgarten? Ja oder Nein. Rückfragen wie „Lustgarten, wo ist denn der?“ werden natürlich nicht gewertet. Das Aufstellen gut sichtbarer Schilder, auf denen „Lustgarten“ steht, halte ich ebenfalls für übertrieben.
Auch beim freiwilligen Parkeintritt für Sanssouci hat zweibeiniges Engagement leider nicht geklappt. Erbeten durch livrierte „Diener“ kam nicht genug Geld zusammen. Deshalb schwant mir Fürchterliches. Aber ich muss ja nicht im Sanssouci-Park flanieren und Eintritt zahlen, der wahrscheinlich doch noch kommt, wenn ich die gut frequentierte und geistig so anregende Ecke Dortustraße habe.
Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam.
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