
© G. Schenke
Landeshauptstadt: Die Ahnen des Potsdamer Pestalozzi
Über 70 Nachfahren Wilhelm von Türks gedachten ihres Vorfahren / Porträt von Petzholtz restauriert
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Klein-Glienicke - Seine Nachkommenschaft ist enorm, umfasst alle Altersgruppen und ist über die ganze Welt verstreut. Über 70 Nachfahren und Verwandte des berühmten Potsdamer Pädagogen und Reformers Wilhelm von Türk bevölkerten am Samstagvormittag den intimen Alten Friedhof in Klein-Glienicke, um ihrem Ahnen anlässlich seines 165. Todestages an seinem Grabe zu gedenken.
„Es ist das vierte Mal, dass sich die Nachkommen hier zusammenfinden“, sagt der aus Genf angereiste Ururenkel Heino von Türk. Erstmalig fand so ein Treffen 1996 statt. Den Anstoß gaben Heino von Türk zufolge damals Hans Heinrich Petzholtz und Wolfgang Rocksch. Der Potsdamer Schulhistoriker Rocksch hat ein 200-seitiges Buch über Wilhelm von Türk geschrieben. Danach zählt der Pädagoge zu den hervorragenden Persönlichkeiten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der „Potsdamer Pestalozzi“, der „Vater der Armen und Waisen“, der „Edle von Türk“ sei in allen Kreisen der Bevölkerung bekannt und geachtet gewesen. Wilhelm von Türk war von 1817 bis 1833 Regierungs- und Schulrat in Potsdam und machte sich als Gründer von Fürsorgeeinrichtungen einen Namen. Für seine Verdienste verlieh im die Stadt Potsdam die Ehrenbürgerschaft. Eine Straße sowie die Förderschule für Hörgeschädigte im Bisamkiez tragen seinen Namen. Die letzten Lebensjahre verlebte er am Griebnitzsee in der heutigen Karl-Marx-Straße.
Als Gast begrüßte Heino von Türk unter anderem den früheren Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Michael Seiler. Dieser hatte im vergangenen Jahr in der Nähe von Türks Grab einen Maulbeerbaum gepflanzt. Von Türk hatte die Zucht von Seidenraupen, für die Maulbeerbäume die Nahrungsgrundlage bilden, betrieben. Es ging ihm dabei nicht nur um sinnvolle Beschäftigung für die Zöglinge im Waisenhaus, sondern auch um eine Einnahmequelle. Da das jährliche Einkommen eines Lehrers von 100 Talern nicht hin und nicht her reichte, hoffte er, dass die Lehrer mit dem Seidenbau ihr Gehalt aufbessern würden. Das Maulbeerbäumchen nahe seinem Grab ist bereits über zwei Meter hoch.
Die Familiengrabstätte der von Türks ist die älteste auf dem seit 1781 existierenden Alten Friedhof Klein-Glienicke. Es handelt sich um ein wenige Quadratmeter großes, mit einem Eisenzaun umfriedetes Areal. Ein Grabstein und sechs gusseiserne Platten erinnern an die Verstorbenen. Die Buchstaben auf einer der Platten leuchten goldfarben. Auf ihr steht zu lesen: „Hier ruhet sanft Wilhelm Carl Christian von Türk, Königl. Preuss. Schulrath, geb. den 8. Januar 1774 zu Meiningen, gest. den 31. Juli 1846 zu Klein-Glienicke.“ Dazu der Leitspruch Wilhelm von Türks: „Lasset uns Gutes thun und nicht müde werden.“
28 Jahre lang war die Grabstätte für Verwandte und Nachkommen nicht erreichbar, weil sie sich im Grenzgebiet befand. Nach dem Fall der Mauer ließ die Familie Petzholtz sie restaurieren. Heute betreut sie Gerhard Petzholtz aus Stahnsdorf, der auch das Treffen des „Familienclans“ organisiert hat.
Nach der Ehrung am Grabe trafen sich die Teilnehmer in der Klein-Glienicker Kapelle. Wirkungsvoll beleuchtet war im Vestibül zum ersten Mal ein restauriertes Gemälde aus dem Jahre 1890, das Louis Petzholtz darstellt, öffentlich zu sehen. Louis hatte eine Enkelin Wilhelm von Türks, Johanna von Türk, geheiratet. Das ausdrucksstarke Ölgemälde zeigt ihn im Ornat eines Superintendenten der Potsdamer Nikolaikirche. Das Gemälde befand sich bisher im Privatbesitz eines Urenkels und erhält nun einen würdigen Platz in der Kapelle, deren Bau der Abgebildete einst erwirkt hat. 1881 legte er im Beisein von Wilhelm I. den Grundstein für die Kapelle. Um die zu DDR-Zeiten verfallene kleine Kirche, die nach Plänen von Reinhold Persius entstand, kümmert sich heute der „Freundeskreis Kapelle und Alter Friedhof Klein-Glienicke“, dem auch einige der Türk-Nachfahren angehören. Jüngstes Beispiel der Aktivität des Vereins ist das gestern aufgestellte große nach „bayerischer Art“ überdachte Roedenbeck-Holzkreuz. Der 1922 verstorbene Walther Roedenbeck war Pfarrer in Klein-Glienicke.
Günter Schenke
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