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Radfahren in Potsdam: Die Angst fährt mit
Nach dem tödlichen Rad-Unfall im April sammelt das Rathaus Gefahrenhinweise von Bürgern: Veränderungen soll es aber nur schrittweise geben.
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Wenn Christiane Möhring an der Kreuzung Kiepenheuerallee/Am Schragen entlangradelt, fährt die Angst mit – vor allem morgens, wenn viele Kinder mit ihren Eltern auf dem Weg zur Schule an dieser Stelle zusammentreffen. Es gebe kaum Platz zum Warten bei Rot, kritisiert die Potsdamerin. Da sich an dieser Stelle zwei Radwege kreuzen, bestehe die Gefahr von Karambolagen, dazu komme der Berufsverkehr – für die 53-Jährige ist das eine „große Unfallgefahrenstelle“, wie sie sagt.
Potsdams Radverkehrbeauftragter Torsten von Einem hört derzeit viele solcher Schilderungen. Seit vor einem Monat eine 23 Jahre alte Radfahrerin in der Pappelallee von einem abbiegenden Lastwagen überfahren wurde und ihr Leben verlor, hat er rund 100 solcher Hinweise auf risikoreiche Stellen erhalten. Dabei hatte die Stadt erst im Januar ein umfangreiches Radsicherheitskonzept vorgelegt – darin wurden Maßnahmen für sieben Unfallschwerpunkte in der Stadt vorgeschlagen, etwa für die Großbeerenstraße oder das Umfeld des Hauptbahnhofs. Auf PNN-Anfrage erklärte von Einem jetzt, dass drei Maßnahmen noch in diesem Jahr umgesetzt werden sollen.
So soll laut dem Zweiradbeauftragten an der Kreuzung zwischen Zeppelinstraße und Breiter Straße ein Radfahrersignal versetzt werden, damit Autofahrer die Radler besser sehen. Auch soll der Radweg entlang der Zeppelinstraße an der Ecke Lennéstraße Richtungspfeile erhalten, damit Radfahrer ihn nicht entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung benutzen – dadurch übersahen Autofahrer dort in den vergangenen Jahren gleich mehrfach Radler. An dieser Stelle und auch in der Friedrich-Ebert-Straße zwischen Nauener Tor und Charlottenstraße sei zudem eine Informationskampagne vor Ort für mehr Gefahrenbewusstsein bei Autofahrern und Radlern geplant.
Noch geprüft wird, ob in der Friedrich-Ebert-Straße zwischen Nauener Tor und Gutenbergstraße ein Stoppschild für Autofahrer benötigt und das Parken verboten wird, so von Einem – allerdings sind Ladenbesitzer auf Stellplätze für ihre Lieferanten angewiesen. Dabei gab es allein in diesem Abschnitt zwischen 2008 und 2010 38 Unfälle mit 29 Verletzten. Weiterhin geplant ist, in den nächsten Monaten die für Radler gefährliche Kreuzung Werderscher Damm/Forststraße in Potsdam-West umzubauen und mit Stoppschildern sicherer zu machen.
Diese Kreuzung, an der in den vergangenen Jahren mehr als zehn Radler-Unfälle passierten, kennt auch Karsten Knuth. Er hat bereits gesehen, wie dort vor zwei Jahren eine junge Radfahrerin angefahren wurde, weil ein Auto die Vorfahrt nicht beachtete. Viele Autofahrer seien dort zu schnell unterwegs, hat der 50-Jährige beobachtet. „Tempo 30 würde das Unfallrisiko mindern“, meint er.
Solche Geschwindigkeitsreduzierungen werden derzeit von der Straßenverkehrsbehörde für mehrere Hauptverkehrsstraßen in Potsdam geprüft, sagte Torsten von Einem den PNN – jedoch vor allem aus Lärmschutzgründen. Sicher sei, dass in der Leipziger Straße auf Höhe des Wasserwerks künftig Tempo 30 gelten soll, ebenso nachts teilweise in der Friedrich-Engels-Straße.
An anderen Stelle kann der Radbeauftragte dagegen keinen Erfolg vermelden: So müsse zum Beispiel der Umbau der Kreuzung zwischen Hegelallee und Jägerallee für eine besseren Rad-Zugang Richtung Park Sanssouci noch warten.
Diese Stelle ist auch Karin Schelkmann aufgefallen, die täglich auf dem Weg zur Arbeit vom Bornstedter Feld bis zum Bahnhof Rehbrücke radelt. Auf der Jägerallee gebe es zwar einen markierten Fahrradstreifen, der aber kurz vor der Kreuzung plötzlich ende – zu dem kleinen Feld für linksabbiegende Radler, das an der Kreuzung markiert ist, führe kein sicherer Weg, so die 36-Jährige: „Hier wäre eine bessere Markierung sinnvoll.“ Für die Heinrich-Mann-Allee fordert sie zudem eine Radfahrerampel in Höhe der Drevesstraße und kurz vor der Kreuzung Brauhausberg eine bessere Beschilderung, da es dort immer wieder zu Konflikten mit abbiegenden Autos komme.
Die Stadtverwaltung hat angekündigt, solchen Bürger-Meldungen über gefährliche Stellen, die nicht im Radsicherheitskonzept stehen, künftig nachzugehen. Noch vor einem halben Jahr hat Michael Lumberg aber andere Erfahrungen gemacht. Im Herbst 2012 habe er im Rathaus fast täglich beobachtbare „Beinaheunfälle“ an der damals neu aufgestellten Fußgängerampel an der Kreuzung von Alleestraße und Eisenhartstraße gemeldet, erzählt der 39 Jahre alte evangelische Konsitorialrat. Baudezernent Matthias Klipp (Grüne) habe ihm dazu mitgeteilt, dass an dieser Stelle noch kein Unfall passiert sei und Autofahrer dort achtsam sein müssten. „Formal hat er damit zwar recht, ein vernünftiger Umgang mit Bürgerhinweisen ist das aber nicht.“ Eltern hätten sich auch schon über die Schulwegesicherheit in der Pappelallee beklagt – dass erst nach dem tödlichen Unfall der Radfahrerin die Straße umgestaltet und ein Linksabbiegerverbot für Lastwagen erlassen werde, hinterlasse einen „faden Beigeschmack“, so Lumberg. Klipp dagegen hatte erklärt, für diese Straße seien vor dem Unfall keine besonderen Gefahren gemeldet worden.
Inzwischen ruft die Stadtverwaltung von sich aus auf, telefonisch oder per E-Mail Unfallgefahrenstellen zu melden, um dagegen vorgehen zu können. Zugleich wird betont, dass die Landeshauptstadt in punkto Sicherheit laut Statistik im Vergleich mit anderen deutschen Städten leicht über dem Durchschnitt liegt. Laut dem Radbeauftragten von Einem will die Stadt bis 2017 pro Jahr rund 930 000 Euro für das Radwegenetz ausgeben.
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