Landeshauptstadt: Die Ausschreibung gespart
Kommunalaufsicht untersucht Vergabepraxis des Verkehrsbetriebs an Busunternehmer und CDU-Fraktionsvize Günter Anger
Stand:
Es geht um einen Busunternehmer, der zugleich Kommunalpolitiker ist und von Aufträgen des städtischen Verkehrsbetriebs (ViP) profitiert: Die Kommunalaufsicht prüft nach einer Beschwerde die Geschäftsbeziehungen zwischen dem Verkehrsbetrieb und der Firma des Vizechefs der CDU-Fraktion im Stadtparlament Günter Anger. Im Mittelpunkt steht die freihändige Vergabe von Aufträgen an das Unternehmen des 60-Jährigen. In der Eingabe gehe es um den Verdacht des vorsätzlichen Verstoßes gegen EU-Ausschreibungsbestimmungen, sagte Susann Fischer, Sprecherin des für die Kommunalaufsicht zuständigen Landesinnenministeriums. ViP und Anger sehen keine Verstöße.
Der ViP vergibt Aufträge an andere Unternehmen, wenn für bestimmte Linien die Busse fehlen. Anger ist dabei laut ViP der Hauptabnehmer. Im vergangenen Jahr bekamen er und drei andere Unternehmer insgesamt 2,6 Millionen Euro, wie ViP-Sprecher Stefan Klotz sagte. Dieses Jahr habe man rund zwei Millionen Euro ausgegeben. Die genaue Höhe der Zahlungen an die Anger-Omnibusvermietung unterliege dem Geschäftsgeheimnis, betonte Klotz. Insgesamt handele es sich aktuell um 29 Einzelaufträge an vier Unternehmen.
Die Besonderheit: Ausschreibungen dafür gab es nicht. Das Volumen der Aufträge lag laut Klotz jeweils unter dem Schwellenwert für Vergaben von rund 410 000 Euro. „Das Zuschlagskriterium war jeweils der günstigste Preis.“ Es seien nur Bewerber zugelassen gewesen, die schon nachgewiesen hätten, ihre Leistungen zuverlässig und sicher zu erfüllen. Die Rechtskonformität des Verfahrens sei vom Rechnungsprüfungsamt und einer Rechtsanwaltskanzlei bestätigt worden. Das alles werde seit mehr als zehn Jahren so gehandhabt, sagte ViP-Geschäftsführer Martin Grießner den PNN am Rande eines Pressetermins in dieser Woche. Man habe die Aufträge möglichst nicht langfristig vergeben wollen, auch um flexibel auf Veränderungen reagieren zu können.
Anger selbst sieht die Prüfungen „sehr gelassen“, wie er den PNN sagte. Seit Mitte der 1990er-Jahre sei er ViP-Auftragsnehmer, habe „ordentliche Arbeit gemacht“ – was im Übrigen auch ViP-Chef Grießner bestätigte. Er sehe auch keine Interessenkonflikte, so Anger. Denn erst vor zwei Jahren – da arbeitete er längst schon im ViP-Auftrag – rückte er ins Stadtparlament, nachdem ein anderer CDU-Mann die Fraktion verlassen hatte. Bei der Kommunalwahl gelang Anger der Wiedereinzug in die Stadtverordnetenversammlung, mit seiner Fraktion gehört er jetzt zu Potsdams regierender Rathauskooperation aus SPD, CDU, Grünen und Potsdamer Demokraten. ViP-Chef Grießner sagte, man habe Anger darauf hingewiesen, seine Aufgaben als Stadtverordneter und Firmenchef klar zu trennen. Zuletzt wurde der Unternehmer von der CDU für den Aufsichtsrat der Energie und Wasser Potsdam (EWP) vorgeschlagen, die ein Schwesterunternehmen des ViP im kommunalen Stadtwerkeverbund ist. Die Stadtverordneten bestätigten die Postenvergabe Anfang November.
Bemerkenswert: Ausgerechnet die Stadtwerke, deren Tochterfirma Anger nun kontrollieren soll, haben jetzt ein rechtliches Gutachten in Auftrag gegeben, die bisherige ViP-Vergabepraxis noch einmal zu prüfen. Das bestätigte Ministeriumssprecherin Fischer. Vor einer Bewertung des gesamten Vorgangs warte die Kontrollbehörde noch auf dieses Gutachten. Unter anderem geht es nach PNN-Informationen um die Frage, ob die vielen Aufträge über so lange Zeit nicht hätten verbunden und damit ausgeschrieben werden müssen. Stadtverwaltungssprecher Stefan Schulz erklärte, zwar sehe man keine Rechtsverletzung, allerdings würden die Aktivitäten der Kommunalaufsicht zum Anlass genommen, „die Vergaben noch einmal im Detail rechtlich zu bewerten“.
Die Beschwerde erhoben hat der frühere Grünen-Stadtverordnete Andreas Menzel. Aufmerksam auf die freihändige Vergabe wurde er nach einer von ihm gestellten Anfrage im September zu Auftragsvergaben an private Busfirmen durch den ViP, in der bereits von freihändigen Entscheidungen die Rede war. Daraufhin wandte sich Menzel an die Kommunalaufsicht. Und tatsächlich wird nicht überall so verfahren wie in Potsdam. So sagte Petra Reetz als Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), dort würde nur in Ausnahmefällen mit freihändigen Vergaben an Busunternehmer gearbeitet – etwa zur Fußball-WM. Ansonsten binde man die Unternehmen für mindestens fünf Jahre. Das sei im Sinne der Planungssicherheit auch preiswerter, so Reetz.
Eine ähnlich langfristige Ausschreibungspraxis will jetzt auch der ViP einführen, wie Grießner sagte. Das habe man schon vor der aktuellen Untersuchung der Kommunalaufsicht so entschieden, betonte der ViP-Chef. Allerdings sei die Vorbereitung für die bis zu zehn Jahre laufenden Verträge sehr komplex – im Gegensatz zum früheren Verfahren. Ministeriumssprecherin Fischer bestätigte, die Stadtverwaltung habe mitgeteilt, dass der Verkehrsbetrieb künftig zur besseren Planbarkeit langfristige Leistungen an Unterauftragnehmer vergeben werde – und dafür eine europaweite Ausschreibung für die auslaufenden Aufträge vorbereite.
Dabei könnten sich dann Anger und andere Busunternehmen wieder bewerben. Der Marquardter Unternehmer selbst machte gegenüber den PNN deutlich, er halte eigentlich nichts von solchen Ausschreibungen – denn womöglich komme dann ein auswärtiges Unternehmen zum Zuge, das nicht wie er in Potsdam seine Steuern zahle.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: