Links und rechts der Langen Brücke: Die Bahn kam einmal
Jan Brunzlow über Potsdamer Anschlüsse sowie die Pläne und die Kundenfreundlichkeit eines Unternehmens, das seine ureigenste Aufgabe vergessen hat
Stand:
„Wer zügig fahren will, fährt mit dem Zug“ war einer der ersten Werbespots der Deutschen Bundesbahn. Das hat sich im Laufe der Jahre in Potsdam ein wenig verändert. Nicht nur, dass das inzwischen profitorientierte Unternehmen die Daseinsvorsorge für die Menschen als ureigenste Aufgabe vergessen hat. Sie will über die Köpfe der Kunden hinweg entscheiden und sie vor vollendete Tatsachen stellen. Prominentestes Beispiel in der Vergangenheit war die Abkopplung Potsdams als Landeshauptstadt vom ICE-Netz – die einst als beschlossene Tatsache alle überraschte. Nun plant die Bahn die Vollsperrung der Fernbahnstrecke zwischen Wannsee und Charlottenburg ab Dezember dieses Jahres. Der Zeitraum und die Konsequenzen kamen nur schleppend ans Tageslicht. Wohl auch, weil es noch nicht beschlossen ist. Noch können Politik und Kunden ihren Einfluss geltend machen. Denn würde es zu der Vollsperrung kommen, wäre der Pendlerverkehr zwischen Berlin und Potsdam ein Jahr lang gestört. Zumal die Bahn damit auf Eigenwerbung verzichtet: Zeitgleich wird die Avus, die Autobahn 115, zwischen Wannsee und Hüttenweg erneuert. Die Baustelle wird ein Nadelöhr sein. Die beste Gelegenheit für die Bahn, sich mit einem attraktiven Angebot neue Kunden zu sichern. Doch sie tut – das Gegenteil. Für einen Pendler zwischen Magdeburg und Berlin ist es vielleicht egal, ob sein Regionalexpress über Golm und Spandau oder Potsdam und Wannsee fährt. Der geplante Zeitverlust von zehn Minuten ist bei der Fahrzeit von einer Stunde überschaubar. Allerdings pendelt die Mehrheit der Bahnfahrer zwischen Berlin und den Bahnhöfen Potsdam-Hauptbahnhof und -Medienstadt auf den Linien 1 und 7. Deren Fahrzeit wird sich gemessen an den bisherigen 25 bis 30 Minuten um mindestens die Hälfte verlängern. Zudem wird es durch häufiges Umsteigen unbequemer. Potsdam würde dadurch seinen Standortvorteil als Arbeits-, Wohnort und Ausflugsort vor den Toren der Hauptstadt verlieren. Dass die Sanierung der Strecke wichtig ist, steht außer Frage. Seit Jahren schon betreibt die Bahn Flickwerk an den Brücken und Gleisen, um den Betrieb überhaupt aufrecht erhalten zu können. Doch eine Sanierung gleichzeitig mit der Sanierung der Autobahn und so kurz nach dem größten Chaos der S-Bahn ist ein Affront. Andere Lösungen müssen gefunden werden.
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