Landeshauptstadt: Die Befreiung des Kleiderschranks
Volles Haus bei Sommer-Party und Tauschbörse im Frauenzentrum Potsdam
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Volles Haus bei Sommer-Party und Tauschbörse im Frauenzentrum Potsdam Frauen & Kleider Zum dritten Mal haben sie die Kleidertausch-Party auf dem Programm, erzählt Anna Brömsel vom Autonomen Frauenzentrum Potsdam am Mittwochabend. Es ist kurz nach acht Uhr. Das gesund und bunt von Obst, Gemüse, Käse, italienischer Salami und Salaten leuchtende Buffet ist noch unberührt. Große Plastik-Taschen werden in den Raum geschoben. Nach und nach füllen sich Tische und Stühle um den provisorisch aufgestellten Spiegel herum mit großen Haufen von Röcken, Kleidern und Hosen. Glitzernde Bustiers liegen neben groben Leinenhosen, afrikanisch gemusterten Blusen und Seidenhemdchen. Textiler Einheitsbrei ade. Was es hier zu tauschen oder für wenig Euro kaufen gibt, ist alles andere als Ladenware von der Stange. Die Potsdamer Frauen haben ihre ganz besonderen Stücke aus den Kleiderschränken geholt, die ihnen einmal sehr am Herzen hingen – und mittlerweile in einer Ecke ganz hinten verstauben. Frauen & Stilfragen „Es wird Zeit, dass man sich ab und zu mal neu einkleidet“, sagt Caroline, Mitte 30, rotes, halblanges Haar, sexy Reißverschluss-Rock und einfarbiges Oberteil. Sie wühlt in der afrikanischen Kiste, zieht an bunt gemusterten Oberteilen, streicht über den Stoff, hält sich ein Shirt an. Die Kleiderfrage, schick, sexy, leger oder eher sportlich, ist für sie nicht nur eine Frage der Persönlichkeit, sondern des Anlasses. Frauen & Kaufverhalten Nicht selten geht Caroline zum Kleiderkaufen auf Trödelmärkten stöbern. „Wenn man Glück hat, findet man tolle Sachen“, sagt sie. Astrid, Ende 30, gerade geschnittene Hose in unauffälligem naturbeige, weinrotes T-Shirt, kurzes Haar und Brille, findet das zu mühsam. Sie mag es lieber ruhig und ohne viel Rummel. So wie bei ihrem letzten Einkauf in einem großen Kaufhaus in Berlin. Vogelgezwitscher aus den Boxen, viel Platz in der Kabine, Zeit sich umzusehen, auf der Stange geordnete Größen. Sie hat gerade ihren Kleiderschrank ausgeleert. Ein befreiender Akt, sagt sie. Die Sachen los zu werden, ist ihr wichtiger, als heute Schnäppchen zu machen. Frauen & Atmosphäre Nach einer halben Stunde ist der Raum voll. Eine Frauenstimme singt aus den Boxen, es wird gewühlt, gelacht, über Stoffe gestrichen, vom Buffet genascht und gequatscht. Man kennt sich. „Zeig doch mal“, „Das würde dir doch gut stehen“, „Was hältst du davon“, „Das sieht ja toll aus“ – alle sind mitten in ihrem Element. Sie streifen sich enge Stoffe über Top und Jeans oder tauschen, unter dem Gutachterblick der anderen, ihre alte Hose gegen eine neue. Dann der Dreh vor dem Spiegel. Hopp oder Topp? Und weiter geht es auf Entdeckungsreise durch die exotischen Stoffe. Frauen & Politik Anna Brömsel steht im Türrahmen und freut sich, dass heute so viele neue Gesichter da sind. Mit den Veranstaltungen versuche das Haus eine große Spannbreite von Frauen anzusprechen und die Arbeit des Zentrums bekannt zu machen. Dass das Thema Frauen und Emanzipation noch lange nicht vom Tisch ist, ist ihr natürlich nicht erst mit dem neuen Bundespräsidenten Horst Köhler klar geworden, der in seiner Antrittsrede Deutschland in Bezug auf Emanzipation als „Entwicklungsland“ bezeichnet hatte. Erst kürzlich habe eine Mutter einen Job im Frauenzentrum ablehnen müssen, weil sie keinen Kita-Platz für ihr Kind fand. Gerade an solchen Tatsachen lasse sich gute Frauenpolitik messen. In Potsdam gebe es da noch einiges zu tun, sagt sie. Aber nicht jede Veranstaltung im Zentrum ist eine politische Veranstaltung. Für Anna Brömsel ist der Abend ein Erfolg, wenn die Frauen glücklicher weggehen, als sie kamen. Marion Hartig
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