Landeshauptstadt: Die Benzinblüter
Frühstück mit Oldtimer. In Kai Desingers Garage du Pont trafen sich am Sonntag Freunde historischer Autos
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Er war der Senior unter den vierrädrigen Gästen. Der graue Amilcar, Baujahr 1927, mit seinen weinroten Schmetterlingskotflügeln zog am gestrigen Sonntag in der Garage du Pont manchen Blick auf sich. Besitzer Detlef Kayser war mit dem 86 Jahre alten Gefährt aus Berlin über die Glienicker Brücke zum Oldtimer-Frühstück nach Potsdam gekommen. Wenige Meter hinter der Glienicker Brücke, an der einstigen Tankstelle, hatte sich etwa ein Dutzend Automobilisten eingefunden, um gemeinsam zu frühstücken und dabei – wie Garage-Chef Kai Desinger es nennt – Benzingespräche zu führen.
Unter den am Sonntag in der Garage du Pont – zu deutsch: Werkstatt an der Brücke – versammelten Raritäten der Automobilgeschichte stach Kaysers betagter Wagen mit seiner äußerst schmalen, am Heck spitz zulaufenden Karosserie schon rein optisch hervor. Ein bisschen Pferdekutsche, auch ein wenig Flugzeug und natürlich eine gehörige Portion Automobil scheint dieses Schmuckstück französischer Produktion in sich vereinigt zu haben. Ganz vorne in der Karosserie steckte eine Kurbel. „Der hat zwar einen Anlasser, aber der geht nicht“, sagte Kayser über seinen vierrädrigen Veteranen, der einst in Saint-Denis bei Paris gebaut wurde. Wenn der Berliner sein Fahrzeug starten möchte, muss er zunächst an der Kurbel drehen, bis das Auto anspringt.
Die Erstbesitzerin sei die schwedisch-amerikanische Schriftstellerin Edita Morris gewesen, berichtete Kayser. Doch eigentlich gilt das nur für die Karosserie. Vor 20 Jahren habe er die Außenhaut erwerben können. Da er in Berlin schon das Chassis und das sonstige Innenleben eines baugleichen Fahrzeugs hatte, bot sich für ihn die Chance, aus zwei halben Fahrzeugen ein ganzes zu bauen, wie Kayser erzählte. Alle Teile seien Baujahr 1927. So habe er, unter anderem mit sehr viel Eigenleistung, ein stilechtes Fahrzeug aus den 1920er-Jahren wieder zum Leben erwecken können, sagte der gelernte Bankkaufmann im Ruhestand.
Im Gegensatz zu Kaysers Amilcar schien der Jaguar, mit dem der Berliner Stefan Krell am gestrigen Sonntag zur Garage du Pont gekommen war, vergleichsweise jung. Der lindgrüne Sportwagen bringt es nur auf 41 Jahre. Krells E-Type-Modell mit seinen zwölf Zylindern und vier Auspuffrohren hat heftige 279 PS unter der Haube. Einmal das Gaspedal ordentlich traktiert, und schon geht das britische Nobelauto mit Hinterradantrieb ab wie eine Rakete. In der Spitze bringen es Fahrzeuge dieses Typs auf ungefähr 240 Stundenkilometer. „Der hat wenig Gewicht auf der Hinterachse“, erklärte Krell am Sonntag die Eigenheit dieses Jaguars. Wenn der hinten eingebaute Tank fast leer ist, dann müsse man ein wenig aufpassen, dass die Räder nicht durchdrehen, sagte der 51-Jährige, der sich beruflich mit Tourismusprojekten im In- und Ausland beschäftigt.
„Das ist so ein Virus“, meinte Krell über seine Oldtimer-Leidenschaft. Vor acht Jahren habe er sich mit dem Erwerb dieses Fahrzeugs einen Traum erfüllen können. Den heutigen Wert des Edelschlittens schätze er auf knapp 60 000 Euro. Ebenfalls von einem Virus, dem er erlegen sei, sprach Garage-Chef Desinger. „Ich bin selbst passionierter Oldtimerfahrer- und -sammler“, bekundete er. Mit dem vor gut einem Jahr eröffneten Restaurant in den Räumen der einstigen Tankstelle habe man das historische Ambiente mit ebenso historischen Fahrzeugen in Verbindung bringen wollen. Das Haus wurde in den 1930er-Jahren von dem Potsdamer Architekturbüro Estorff und Winkler als Tankstelle entworfen. Mit dem Oldtimer-Frühstück, das Desinger am gestrigen Sonntag zum ersten Mal veranstaltete, und das bei schönem Wetter künftig jeden ersten Sonntag im Monat stattfinden soll, wolle man die Verbindung zur Historie weiter intensivieren. Alle Leute, „die Benzin im Blut haben“, seien hier willkommen. Wer ein besonderes Fahrzeug fährt, ist in der Garage du Pont gern gesehen. „Ob das jetzt Oldtimer sind oder besondere Rennwagen – das ist eigentlich gleich“, sagte Desinger.
Wer übrigens meint, ein Oldtimer sei ein ziemlich durstiges Wesen, für den hatte der Berliner Rüdiger Nickel am Sonntag eine augenzwinkernde Antwort. Nickel, der mit einer schwarzen Corvette, Baujahr 1959, aus Berlin gekommen war, meinte schmunzelnd, er fahre ein Drei-Liter-Auto. „Verbrauch: drei Liter auf zehn Kilometer“, rechnete Nickel vor. Leider erlebe er manchmal eine gewisse Missgunst, wenn er mit seiner Corvette unterwegs sei. Man habe ihn schon beleidigt, sogar angespuckt. Die Freude am Fahren und an den alten Autos ist dem Ruheständler dabei aber nicht vergangen. Sich selbst attestierte er schmunzelnd „eine automobile Totalmacke“.
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