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Landeshauptstadt: „Die Besonderheit dieses Augenblicks auf sich wirken lassen“

Rituale helfen Angehörigen Verstorbener bei der Verarbeitung von Schmerz und Trauer / Hospizdienst bietet Tag zum Gedenken an

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Rituale helfen Angehörigen Verstorbener bei der Verarbeitung von Schmerz und Trauer / Hospizdienst bietet Tag zum Gedenken an Der Tod gehört zum Leben. Wie leicht ist das gesagt. Doch ist das Ende des menschlichen Lebens durch schwere Krankheit oder das Alter absehbar, fällt es schwer sich mit dem Abschied auseinander zu setzen. Ganz zu schweigen vom plötzlichen Tod eines Verwandten, Kollegen oder Freundes, der den Abschied scheinbar unmöglich macht. Versuche der Abwehr, des Verdrängens sind die Folge. Hinterbliebene suchen aber auch Möglichkeiten, den tiefen Schmerz zu verarbeiten und Abschied nehmen zu können. Über die Bedeutung von Ritualen rund um das Abschiednehmen und ihre Notwendigkeit für das Bewältigen der Trauer und des Schmerzes sprach PNN-Mitarbeiterin Ulrike Strube mit der Koordinatorin des Potsdamer Hospizdienstes Heike Borchardt und Lilly Stock, ehrenamtliche Mitarbeiterin des Hospizdienstes. Welche Bedeutung haben Rituale für die Verarbeitung des Verlustes? Heike Borchardt: Rituale lösen Erinnerungen und Gefühle aus. Sie können Kontrolle, Struktur und Sicherheit im Chaos geben und entlasten. Dadurch kann sich der Trauernde Geborgenheit schaffen. Sie können Hilfe beim Loslassen geben. Lilly Stock: Die Hinterbliebenen haben die Möglichkeit durch Rituale wie das Waschen und Ankleiden des Verstorbenen sich die neue Situation zu vergegenwärtigen, sie zu erspüren. Verstorbene Menschen dürfen bis zu 36 Stunden zu Hause bleiben. Heike Borchardt: Das ist Vielen unbekannt. Oft wird nach dem Tod in Panik verfallen. Dabei muss man nicht gleich aktiv werden. Die Stille und Besonderheit dieses Augenblicks auf sich wirken lassen, Zeit lassen zum Abschiednehmen, das ist es, was die Hinterbliebenen brauchen. Der Tod scheint in unserer Kultur, in unserer Gesellschaft verdrängt zu werden. Heike Borchardt: Schauen wir in Pflegeheime. Wie geht man dort mit den Verstorbenen um? Gibt es einen Raum, in dem die Angehörigen, Pflegekräfte und die Mitbewohnerinnen und Mitbewohner Abschied nehmen können? Wie kommt es, dass es uns so schwer fällt über den Tod zu sprechen? Heike Borchardt: Der nahe Tod bedeutet oft Abwehr und Flucht in vergebliche Hoffnungen. Gründe liegen nicht selten in Unsicherheit. Was wird kommen? Vielleicht ist es Angst dem Sterbenden zu nahe zutreten und nicht zuletzt die eigene Angst vor dem Zurückbleiben. Das miteinander Sprechen ist somit eine Form des Verarbeitens? Lilly Stock: Nicht nur für Angehörige. Auch für die Pflegenden in Heimen und Krankenhäusern. Der Abschied wird leichter, wenn ich weiß, was der Sterbende sich wünscht. Vielleicht möchte er im Prozess des Sterbens und nach seinem Ableben ein Gedicht vorgelesen bekommen. Das hat ihm möglicherweise in seinem Leben viel bedeutet. Nach seinem Ableben kann es eine Band zwischen dem Verstorbenen und den Hinterbliebenen knüpfen. In den christlichen Kirchen wird durch das Läuten der Sterbeglocke auf den Verlust eines Gemeindemitgliedes aufmerksam gemacht. Heike Borchardt: Viele Menschen horchen dann auf, weil zu einer ungewöhnlichen Zeit eine Glocke läutet, die einen traurigen Klang hat. Manche halten kurz inne. Lilly Stock: Im häuslichen Bereich sollte jeder für sich schauen, was ihm gut tut. Wenn ich in eine Familie gehe, ermutige ich die Angehörigen herauszufinden, was ihnen in der Trauer als Ritual gut tut, wie das Anzünden einer Kerze. Doch das Ritual nimmt nicht den tiefen Schmerz. Der Respekt vor dem Sterbenden ist groß. Oft bleiben Dinge unausgesprochen. Für die Hinterbliebenen ist das eine zusätzliche Belastung. Heike Borchardt: Manche Dinge sind nicht leicht auszusprechen. Sie werden vor sich her geschoben. Falls es für den Angehörigen nicht möglich ist, das zu klären, kann er es dem Verstorbenen noch sagen oder aufschreiben und mit in den Sarg legen. Das befreit. In vielen Kulturen wird der Verstorbenen an bestimmten Tagen im Jahreslauf gedacht, bei uns wäre das beispielsweise der Ewigkeitssonntag. Heike Borchardt: Diese Tage sind wichtig. Seit vergangenem Jahr bieten wir als Hospizdienst ebenfalls einen Tag zum Gedenken an. Er ist für Angehörige gedacht, die wir begleitet haben. Wir setzen uns zusammen, verlesen die Namen der Verstorbenen und hören Musik. Wer möchte, kann über seine Trauer sprechen. Lilly Stock: Abschied und Trauer benötigen ihre Zeit. Jeder sollte sich seine Zeit nehmen.

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