Landeshauptstadt: Die Beule im Keller
Die Bombe am Stern ist nicht zufällig entdeckt worden: Ein Besuch am Fundort
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Stern - Kinderlachen schallt durch die Wildeberstraße, dem Klischee vom Plattenbauviertel entspricht die Gegend nahe der Tramhaltestelle Max-Born-Straße nicht: Einfamilienhäuser aus den 1930er und 1950er Jahren stehen neben neuen Mehrfamilienhäusern mit sonnenbeschienenen Balkonen, es duftet nach Kiefern. Die Kinder der Kita Sternchen toben am Nachmittag im Garten. Vor dem Haus direkt gegenüber steht ein weißer Kombi.
„Security im Einsatz“ ist auf einem Schild hinter der Frontscheibe zu lesen. Seit Mittwoch wird das Haus in der Wildeberstraße bewacht, weil hier eine 250-Kilogramm-Weltkriegsbombe gefunden wurde, die am heutigen Freitag entschärft werden soll. Peter Blum kurbelt die Scheibe herunter. Für den Sicherheitsmann mit der dunkelblauen Uniform ist das hier ein Ausnahmeauftrag: Normalerweise kontrolliert er als Mitarbeiter von Fridericus Potsdams Schlösser und Gärten. „Wir sichern das Haus, damit keiner aufs Grundstück geht“, erklärt Blum. Die Hausbewohner selbst seien wegen der Bombe vorübergehend ausgezogen.
Der genaue Fundort hat sich schnell herumgesprochen, obwohl die Stadt die Adresse nicht preisgegeben hat. Am Donnerstag kamen immer wieder Neugierige, erzählt Blum: „Manche fahren auch nur mit dem Auto vor und gucken.“ Die Wildeberstraße ist eine Sackgasse.
Zur Kaffeezeit bekommt Blum Kaffee und Kuchen: Ein Mann mit olivgrünem Pullover bringt ein Tablett zum Auto – er wohnt im Nachbarhaus. Ob er verunsichert ist, jetzt wo er vom explosiven Fund nur wenige Meter von seiner Wohnung weiß? Der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, schüttelt den Kopf. Der Entschärfung sieht er gelassen entgegen. „Meine Frau bietet mir Asyl auf ihrer Arbeit“, erzählt er.
Dass die Bombe überhaupt gefunden wurde, sei kein Zufall gewesen, berichtet er weiter. Der Besitzer des Hauses, das in den 1930er Jahren gebaut wurde, habe gezielt suchen lassen. An die Geschichte von einem Blindgänger auf dem Grundstück habe er sich nach der Bombensprengung in München erinnert – und an eine ominöse Beule im Mauerwerk im Keller. „Dann hat er den Verdacht gemeldet“, sagt der Nachbar. „Gegenüber ist ja auch der Kindergarten“, fügt er hinzu.
Dort ist an diesem Donnerstag alles wie immer. „Wir vertrauen darauf, dass wir hier sicher sind“, sagt eine Kita-Erzieherin. Am Freitag wird die Einrichtung nicht geöffnet haben, die Eltern der 200 Kinder seien kurzfristig gebeten worden, sich selbst um ihre Kleinen zu kümmern.
Auf dem Fußweg ist jetzt ein Rentner in Gesundheitssandalen stehen geblieben. Walter Petkus wohnt seit sieben Jahren in einem der Mehrfamilienhäuser schräg gegenüber. Über die bevorstehende Evakuierung – für Petkus ist es die erste – macht sich der 74-Jährige seine Gedanken: „Ich hab Vertrauen zu den Fachleuten“, sagt er. Freitag wird er in den Gemeinschaftsräumen in der Coubertin-Straße verbringen. „Meine Frau wollte die Sparbücher einpacken, aber ich weiß nicht“, sagt Petkus: „Ich nehme Bargeld mit, das reicht.“ Wenn sich die Entschärfung hinziehen sollte, hat er einen Plan B: „Notfalls kommen wir bei meinem Sohn in Werder unter.“ Jana Haase
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