zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Die Biber sind zurück

Nach anderthalb Jahrhunderten errichteten sie in Potsdam am Schlaatz wieder einen Bau

Stand:

Anderthalb Jahrhunderte ließ sich kein Elbe-Biber in Potsdam blicken, nun ist die Tierart zurückgekehrt. Schon 2001 wurde ein einzelnes Exemplar am Fahrländer See beobachtet, dann ein Biber bei Saarmund totgefahren. Der Naturschützer Jörg Lippert fand Hinweise auf Ansiedlungsversuche bzw. Fraßplätze an der Nuthe, so in Höhe des Aradosees und 2005 in den Drewitzer Nuthewiesen nahe dem ehemaligen Ausflugslokal Burgfischerei.

Inzwischen hat offensichtlich ein Paar am Schlaatz auf Dauer sein Revier eingerichtet. Ihr Bau liegt gegenüber den Sportplätzen. Drei Jungtiere wurden im Sommer vorigen Jahres beobachtet. Das Revier mit der Nummer 36244/2/01 sei „das am besten dokumentierte in ganz Brandenburg“, sagt Lippert. Das Ehepaar Burghard und Petra Sell ist fast täglich vor Ort, um die Elbe-Biber zu betreuen und alle Ereignisse mit der Kamera festzuhalten. Gerade dieses Vorkommen mitten in der Stadt biete die einmalige Möglichkeit, die Lebenweise der Biber intensiver zu erforschen.

Die Nager ziehen inzwischen auch viele Naturfreunde an. Die haben vor allem in der Morgendämmerung eine Chance, die Tiere zu Gesicht zu bekommen. „Man sollte auf dem Weg bleiben und keinen Lärm machen, denn Biber hören sehr gut“, rät Jörg Lippert. Ansonsten aber sei bei ihnen wie bei anderen Arten eine gewisse Gewöhnung an die menschliche Nachbarschaft zu registrieren, ganz so „heimlich“ wie früher lebten die Biber nicht mehr. Dazu zeigt er das Foto eines im Schilf schlafenden Alttiers, das sich von einem dicht vorbeipaddelnden Kanuten nicht im Geringsten stören lässt. Jörg Lippert, der im Landesumweltamt arbeitet, betreut für den Naturschutzbund Deutschland (NABU) das Potsdam nächstgelegene Biberrevier bei Saarmund. Er geht davon aus, dass deren Zahl entlang der Nuthe und der Nieplitz weiter zunimmt. Auch auf Hermannswerder und am Schwielowsee gebe es geeignete Standorte. Welchen Weg Castor fiber albicus bei seiner Anfang der 1970er Jahre begonnenen Wiedereroberung der angestammten Reviere in Brandenburg nehme, lasse sich aber so genau nicht voraussagen.

Um 1960 hatte es in Brandenburg-Berlin kaum noch einen Elbe-Biber gegeben Schon seit dem ausgehenden Mittelalter waren sie als Jagdtiere und wegen ihres für Heilmittel verwendeten Bibergeils, einem Sekret aus den Drüsensäcken, abgeschossen worden - vor allem aber, weil sie Baumschäden anrichten und durch ihre Dämme Wasserläufe anstauen. Dadurch wurden Acker- und Wiesenflächen vernässt. Erst im vorigen Jahrhundert durften die Biber auch in Brandenburg wieder auf menschliche Hilfen hoffen. Ab 1935 wurden sie in der Schorfheide, 1973 bei Templin und ab 1984 entlang der Oder neu angesiedelt. Derzeit wird der Bestand landesweit auf 2500 Exemplare geschätzt.

Mit offenen Armen werden die Rückkehrer auch heute nicht allerorts empfangen. Nicht nur der Landwirt, der die Flächen an der Burgfischerei bewirtschaftet, klagt über Biberschäden. Nicht immer zu Recht, denn als studierter Agraringenieur kann Jörg Lippert oftmals nachweisen, dass an der Staunässe der Felder nicht die Tiere schuld sind. Er möchte die Probleme aber nicht kleinreden. „Es wird mit den Landwirten und den Wasser- und Abwasserzweckverbänden vermehrt Probleme wegen des Anstaus von Fließen und Gräben geben, und die Biber werden die Landschaft weiter auflichten“, räumt er ein. Beim Landesumweltamt wurde ein Monitoring eingerichtet, das die Bestände betreut und ihre Entwicklung überwacht. Die Experten bewerten Schäden und geben praktischen Rat – so könnten in die Dämme eingebaute Rohre den Wasserabfluss sichern. Auch Siedlungsangebote, so am Rande von Forstflächen, könnten den Tieren gemacht werden.

In einem ist sich Jörg Lippert ganz sicher: Die Elbe-Biber gehören zur angestammten Fauna Brandenburgs und besitzen hier ein Lebensrecht. „Wir müssen Kompromisse eingehen und lernen, mit ihnen zu leben.“ Dazu zähle eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Mit einem Vortrag im Potsdamer Naturkundemuseum ist Lippert schon einmal mit gutem Beispiel vorangegangen. Auch den Vorschlag, am Schlaatz-Revier eine Informationstafel aufzustellen, hält er für überlegenswert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })