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Landeshauptstadt: „Die Diskussion ist störend“

Wilhelm Kahle und Prof. Hubertus Wenisch über Situation und Zukunft des Bergmann-Klinikums

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Wilhelm Kahle und Prof. Hubertus Wenisch über Situation und Zukunft des Bergmann-Klinikums Die Stadtverordneten haben Anfang Juni auf Antrag von SPD, CDU und Bündnisgrünen beschlossen, dass bis Oktober dieses Jahres zu prüfen ist, ob das städtische Klinikum Ernst von Bergmann verkauft wird, sich einen strategischen Partner suchen oder bei der Stadt bleiben soll. Der Finanzbeigeordnete Burkhard Exner äußerte zudem Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Klinikums – es habe keine positiven Bilanzen vorlegen können. Darüber sprach PNN-Redakteur Guido Berg mit Klinikums-Geschäftsführer Wilhelm Kahle und dem ärztlichen Direktor Prof. Hubertus Wenisch. In der Öffentlichkeit sind jüngst unterschiedliche Angaben über die wirtschaftliche Situation des Klinikums gemacht worden. Wie sehen die Bilanzen denn nun wirklich aus? Kahle: Das Klinikum ist ein gut aufgestellter Betrieb und das wird auch in Zukunft so sein. Die Konvergenzphase (festgelegter Zeitraum zur Umstellung der Abrechnungen von Pflegesätzen auf Fallpauschalen, d. Red.), die uns zu starken Einsparungen zwingt, wird das Klinikum bei hoher Leistungsfähigkeit ohne Qualitätseinschränkungen überstehen. Die jüngst getroffenen Aussagen zu strukturellen Defiziten werden von mir nicht kommentiert. Es bleibt der Hinweis, dass das Klinikum seit 1992 Bilanzen veröffentlicht und stets ein positives Jahresergebnis erwirtschaftet hat. Wenn das Klinikum ein positives Jahresergebnis erwirtschaftet, ist es denkbar, dass die Stadt Potsdam als Eigentümer an diesem positiven Ergebnis beteiligt wird. Kahle: Momentan ist die Aufgabenstellung – laut Gesellschaftsvertrag – nicht so, dass ein Teil des Ergebnisses an den Gesellschafter abgegeben werden muss. Ob in Zukunft das Klinikum dazu aufgefordert wird, obliegt den Gutachten, die aufgrund des Stadtverordneten-Beschlusses erarbeitet werden. Herr Professor Wenisch, erlaubt die Haushaltssituation des Klinikums, Ihnen alle benötigten Mittel zur ärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stellen? Prof. Wenisch: Die Haushaltssituation ist, wie Herr Kahle gesagt hat, so stabil, dass wir im medizinischen Bereich keine Einschränkungen haben. Wir sind auch in der Konvergenzphase nicht gezwungen, medizinische Leistungen zu reduzieren – eine Option, die viele andere Krankenhäuser hingegen wahrnehmen. Es ist auch nicht absehbar, dass wir so etwas in Zukunft tun müssen. Zum Prüfauftrag der Stadtverordnetenversammlung gehört auch die Erörterung möglicher strategischer Partnerschaften. Welche wären aus ihrer Sicht denkbar und wünschenswert? Kahle: Das Klinikum ist bereits jetzt auf dem Weg, Kooperationen mit anderen Krankenhäusern und Institutionen zu schließen. Die Kooperationen sind gewünscht und gewollt und für den wirtschaftlichen Erfolg notwendig. Wenn mehrere Krankenhäuser zusammen eine große Anzahl Spritzen kaufen, sinkt durch den Rabatt der Preis pro Spritze. Kahle: Es ist zu vermuten, dass in einem Einkaufsverbund günstigere Preise zu erzielen sind. Das Klinikum hat bereits günstige Preise. Wir haben in der Vergangenheit das Preisniveau, zu dem das Klinikum einkauft, prüfen lassen und dabei festgestellt, dass wir sehr günstige Verhandlungsergebnisse erzielen. Dennoch denken wir darüber nach, Verbünde sowohl für den Einkauf als auch für die Apotheke einzugehen, um noch günstigere Preise zu erzielen. Angenommen, die Stadt entschließt sich zum Verkauf des Klinikums – was müssten die Maximen der Stadt bei den Verkaufsverhandlungen sein? Kahle: Diese Frage ist bei mir als Geschäftsführer an der falschen Adresse, die müssen sie dem Oberbürgermeister, also dem Gesellschafter, stellen. Grundlage des Szenarios einer Veräußerung ist, dass der medizinische Versorgungsauftrag bei der Stadt verbleibt. Das höchste Gut, das ein Krankenhaus erzielen kann, ist die Gesundheitsversorgung. Die muss auf höchstem Niveau sicher gestellt bleiben. Herr Professor Wenisch, was würde ein Verkauf des Klinikums für die Patienten bedeuten? Prof. Wenisch: Für die Patienten würde das möglicherweise eine gewisse Umdenkphase voraussetzen, weil ein Verkauf wahrscheinlich das Einbinden in eine Krankenhaus-Kette bedeuten würde. In einer Kette ist es üblich, dass man das Leistungsprofil unterschiedlich aufstellt. Es ist zu vermuten, dass die Breite der Versorgung spezifiziert werden wird. Denn es ist wenig wahrscheinlich, dass in einer Gemeinschaft aus verschiedenen Krankenhäusern an allen Orten dieser Gemeinschaft dasselbe Profil vorgehalten wird. Wir haben im Klinikum Ernst von Bergmann ein sehr ausdifferenziertes Profil, was uns in die Lage versetzt, die Stadt und das Umfeld medizinisch sehr qualifiziert zu versorgen. Im Rahmen einer Einbindung in eine Krankenhauskette ist zu erwarten, dass es da Veränderungen gibt. Aber das sind rein hypothetische Überlegungen. Bei Klinikbetreibern ist der Begriff „standardisierte Heilmethoden" ein Schlagwort. Prof. Wenisch: Das hängt wiederum davon ab, was sie standardisieren wollen, den Kostenbereich oder die Therapien. Fakt ist, dass unser Klinikum im Bereich der Schwerpunktversorgung sehr gut aufgestellt ist, wie man an den Leistungsdaten sieht. Es besteht kein Bedarf nach einer darüber hinausgehenden Standardisierung. Gibt es seltene und extrem teure Heilmethoden, die Sie im städtischen Klinikum anbieten können, die Ihnen aber in einer privaten Klinikkette aus Kostengründen untersagt sind? Prof. Wenisch: Das hängt wiederum davon ab, was private Anbieter beabsichtigen. Es gibt Privatketten, die Universitätsklinika betreiben. Das erklärte Ziel von Universitätsklinika ist es, seltene Krankheitsbilder zu behandeln, gegebenenfalls auch mit teuren Therapien. Davon werden auch Privatanbieter nicht abgehen können. Umgekehrt ist es so, dass wir als Schwerpunktversorger auch seltene Krankheiten behandeln und dabei kostenintensive Therapien anwenden – das aber auch als unseren Auftrag sehen – und dies im Übrigen auch finanzieren können. Ob das ein anderer Träger auch so sehen würde, bleibt dahingestellt. Um es zu erwähnen, wir haben nicht nur gute Therapie- sondern auch breite Präventionsangebote, ich nenne beispielhaft nur einmal die Krebsvorsorgeuntersuchung oder die Früherkennung von Dickdarmkrebs. Ein abgelehnter PDS-Antrag sollte dem Klinikum Planungssicherheit für die kommenden fünf bis sieben Jahre verschaffen. Was glauben sie, wo wird das Klinikum in sieben Jahren stehen? Kahle: Dazu braucht es wahrsagerische Fähigkeiten. Die Entwicklungen auf dem Gesundheitsmarkt sind von den gesetzgeberischen Voraussetzungen abhängig. Das heißt, sollte nach einer Neuwahl im Herbst ein weiteres Gesetz zur Modernisierung des Gesundheitswesens verabschiedet werden, könnten ganz andere Rahmenbedingungen gelten. Prof. Wenisch: Ich sehe die Zukunft ganz optimistisch, weil das Klinikum Ernst von Bergmann in den vergangenen Jahren mehrere Systemwechsel erfolgreich praktiziert hat. Das Klinikum hat nie besonders stark darunter gelitten, vor allem dank seiner hoch motivierten Mitarbeiter. Nun hat allerdings die Diskussion um die Gesamtperspektive des Klinikums zu einer Verunsicherung eben dieser Mitarbeiter geführt. Insofern würden wir uns eine gewisse Phase der Beruhigung wünschen. Die gegenwärtige Diskussion um das Klinikum ist störend, weil wir intern genug zu tun haben. Das Klinikum will sich weiterentwickeln und braucht dazu den vollen Einsatz seiner Mitarbeiter. Herr Kahle, das Klinikum hatte sich unter Ihrem Vorgänger an einer Studie des Landes nicht beteiligt. Sie haben diese Entscheidung revidiert. Kahle: Das Klinikum hat sich in der Tat an der Palliativstudie in der ersten Stufe nicht beteiligt. In der zweiten Phase werden wir dagegen mitarbeiten. Die Wege sind bereits geebnet. Prof. Wenisch: Das Klinikum als akademisches Lehrkrankenhaus sieht sich natürlich zur Teilnahme an wissenschaftlichen Studien verpflichtet. Insbesondere in der Onkologie sehen wir durch großzügige Teilnahme an Studien die Verbesserung unserer Behandlungsprinzipien im Tumorzentrum. Abschließende Frage: Wann wird die Grundsteinlegung für Ihre beiden neuen Gebäude sein? Kahle: Die Grundsteinlegung ist in der ersten oder zweiten Augustwoche geplant. Eingeladen sind der Ministerpräsident und der Oberbürgermeister, wobei die Terminvereinbarungen noch nicht abgeschlossen sind.

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