
© dpa
Forschung zur Nachhaltigkeit in Potsdam: Die einfachen Mittel sind die besten
Der künftige IASS-Chef Ortwin Renn in Potsdam
Stand:
Politiker seien lieber Helden als vorsorgende Hüter, stellt Ortwin Renn fest. Das sei auch verständlich, schließlich wollten sie ja Wahlen gewinnen. Deshalb präsentierten sie sich eher als Retter nach der Flutkatastrophe auf den Schutzdeichen als große Summen dafür auszugeben, damit die Überschwemmung erst gar nicht eintritt. „Bei einer guten Vorsorge bleibt die Katastrophe aus, es fehlt der sichtbare Schaden und dann fragen sich die Leute, wofür eigentlich so viel Geld im Vorfeld ausgegeben worden ist“, sagte Renn am Montagabend in einer Diskussion der Reihe „Potsdamer Köpfe“ im Hans Otto Theater.
Ortwin Renn ist designierter Nachfolger des Gründungsdirektors des Potsdamer Institut for Advanced Sustainability Studies (IASS), Klaus Töpfer. Renn sprach nun über Möglichkeiten der Wissenschaft, auf Klimawandel und Naturkatastrophen zu reagieren. Nach allen gängigen Definitionen habe die Zahl der Naturkatastrophen in den vergangenen Jahren zugenommen. Betroffen davon seien immer mehr Menschen, so Renn. Etwa 70 000 Menschen kämen weltweit jährlich durch Naturereignisse zu Tode. Die Zahl der Todesopfer nähme jedoch ab, die Schadenssummen hingegen stiegen. Der Mensch und der von ihm verursachte Klimawandel seien unter anderem die Ursachen für Naturkatastrophen, die Bedrohung an sich sei jedoch nicht wirklich dramatisch: Renn setzt die Zahl der Todesopfer in Vergleich zu den 2,3 Millionen Toten, die jährlich am Arbeitsplatz sterben oder den 1,2 Millionen, die durch Autounfälle umkommen.
Der Umweltsoziologe lenkt das Augenmerk auf die Vorsorge. „Wir können viel mehr im Vorfeld und bei der Nachsorge machen“, so Renn. Das IASS und die zahlreichen Institute am Potsdamer Telegrafenberg, die sich mit Klima- und Umweltforschung befassen, könnten das schon vorhandene Instrumentarium zur Bekämpfung von Klimakatastrophen viel stärker in den Fokus rücken, als es bisher geschehen sei. Hier sieht Renn seine Aufgabe als künftiger IASS-Direktor: „Es gibt Warnsysteme und das entsprechende Wissen, aber es fehlt der Wille, es einzusetzen.“ Die Ignoranz gegenüber der Vorsorge sei auch darin begründet, dass Naturkatastrophen und ihre Folgen immer noch als unbeeinflussbar eingeschätzt würden. Das stimme allerdings nur teilweise. Erdbeben und Hochwasserfluten ließen sich zwar nicht verhindern. Es gebe aber auch Ereignisse wie die Hitzewelle im Jahre 2003, die europaweit rund 23 000 Menschen das Leben gekostet hat. Die mögliche Vorsorge sei relativ einfach: „Mehr Wasser trinken und sich nicht unmittelbar der Hitze aussetzen“, so Renn.
Häufig seien es ohnehin eher die einfachen Maßnahmen und Mittel, mit denen einer Zerstörung von Mensch und Natur am besten begegnet werden könne. Drei Millionen Tote verursache die Luftverschmutzung jedes Jahr, die meisten davon in Entwicklungsländern. Holzfeuer privater Haushalte seien eine der maßgeblichen Ursachen. „Da kann erheblich durch günstige, umweltfreundliche Öfen geholfen werden“, so Renn. Eine Option, um die Umweltschäden ins Bewusstsein zu rücken, sei es auch, die Umweltkosten in die Produkte und die Wirtschaft einzupreisen. Ein entsprechender CO2-Zertifikathandel war jedoch in den vergangenen Jahren eher erfolglos. Renn ist daher skeptisch gegenüber aufwendigen und komplizierten Lösungen zur Beeinflussung der Natur und dem menschlichem Handeln. Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: