Von Jan Brunzlow: Die Einsteiger
Drei Jahre waren sie auf Mallorca und haben das „Café Schwarzwald“ geführt. Nun sind die Reindls wieder zu Hause – und eröffnen ein Café
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Es ging wie immer alles ganz schnell. Entscheidung getroffen, Sachen gepackt und weg. So war es im Frühjahr 1989, als Martina und Mike Reindl aus der DDR flüchten wollten. So war es im Jahr 2007, als sie sich dafür entschieden, ein Café auf Mallorca zu betreiben. Und so war es in diesem Jahr, als sie wieder zurückkamen. Drei Jahre hat ihr Leben auf der Baleareninsel gedauert, seit einem Monat sind die beiden wieder in Potsdam. Und als gebe es nichts anderes, wollen sie bereits am Montag ihr neues Café eröffnen. Just an der Stelle, an der sie im August 1989 das wohl schwierigste Kapitel ihres Lebens hinter sich gelassen haben. In der Lindenstraße.
Drei Monate haben Martina und Mike Reindl im Sommer ’89 im Stasi-Gefängnis in der Lindenstraße verbracht. In Untersuchungshaft, wie sie sagen. Die Anklage: Versuchte Republikflucht. Martina Reindl hatte im Interhotel – heute Mercure – an der Langen Brücke gelernt und anschließend in der Seerose gearbeitet. Mike Reindl war Maurer, doch sie wollten mehr, beispielsweise die Welt kennenlernen. Im April ’89 versuchten sie daher über die ungarisch-österreichische Grenze der DDR und dem System zu entkommen, doch das Gegenteil passierte. Sie lernten es von der schlimmsten Seite kennen. Die Reindls wurden gefasst und saßen anschließend fast einhundert Tage in Untersuchungshaft. Erst im August 1989 wurden sie entlassen und durften wieder in ihren türkisfarbenen Trabant einsteigen und nach Hause fahren.
Für die beiden ist die Gegenwart daher auch eine Reise in die Vergangenheit. Drei Häuser neben dem früheren Gefängnis, der heutigen Gedenkstätte Lindenstraße 54, wollen sie nun ein Café betreiben. „Cappuccino“ soll es heißen, sagt Martina Reindl. Dafür haben sie den Traum vieler Deutscher aufgegeben – ein Leben mit einem guten Einkommen auf „Malle“, wie die Mittelmeerinsel gerne genannt wird.
Ein bisschen Heimweh hatte sich im Laufe der Jahre angestaut, nach Freunden und der Stadt Potsdam. Dabei verirrte sich selbst in den kleinen Urlaubsort Paguera, etwa 20 Kilometer westlich der Inselhauptstadt, Besuch aus der Heimat. Der Ort gilt sowieso als fest in deutscher Hand und deutschsprachig, keine große Umstellung also für die Reindls. Sie hatten einen Bäcker aus Stuttgart angestellt, der die Schwarzwälder Kirschtorte und 20 weitere Kuchen- und Tortensorten gebacken hat. Das „Café Schwarzwald“ war bekannt dafür im Urlaubsort. Es habe viele gegeben, die bei jedem Urlaub wieder vorbei geschaut haben.
Zumal die Reindls inzwischen auch durch das Fernsehen bekannt geworden sind. Ihre Geschichte spielte bei der Kabel1-Dokusoap „Mein neues Leben“ eine zentrale Rolle. Auch in anderen Aussteiger-Serien waren Martina und Mike Reindl ein Beispiel für eine gelungene Auswanderung. Die Leuten seien danach gezielt ins Café gekommen. „Auch Herr Platzeck war gelegentlich bei uns“, sagt Mike Reindl. Vom brandenburgischen Ministerpräsidenten habe er auch eine Brandenburgfahne für das Strandcafé „Schwarzwald“ bekommen.
Der 47-jährige Reindl und seine ein Jahr jüngere Frau hatten eine schöne Zeit auf Mallorca, doch es sei vor allem harte Arbeit gewesen. Neun Monate lang sieben Tage die Woche haben beide von morgens bis abends im Café gestanden, sie hinter dem Tresen, er als Servicekraft. Nur in den drei Wintermonaten haben sie das Café zugemacht, sind in der Zeit auch mal nach Potsdam gekommen. Freunde besuchen, einfach an etwas anderes denken und den nächsten Schritt gehen. Der folgte nun. „Nach drei Jahren haben wir uns entschlossen das Strandcafé ,Schwarzwald’ in Paguera in neue Hände zu geben“, schreiben die Reindls auf ihrer mallorquinischen Café-Internetseite. „Wir wollen uns bei unseren Gästen recht herzlich bedanken.“ Kurz nach Saisonbeginn haben sie das Angebot aus Potsdam bekommen, in der Lindenstraße den Laden zu mieten. Sie mussten schnell zugreifen. Doch die isländische Aschewolke über Europa erschwerte den Rückweg. Der Flug fiel aus, also mussten sie sich ihr Auto von der Spedition, die den Umzug gemanagt hat, wiederholen. Rauf auf die Fähre und die 2000 Kilometer im Wagen zurück nach Potsdam.
Das war vor genau vier Wochen, inzwischen stehen beide in ihrem neuen Geschäft in der Lindenstraße 52. Ein Tagesgeschäft soll es werden, mit Frühstück, Kaffee, Kuchen und Antipasti. Denn am Abend wollen sie nicht mehr am Tresen stehen. Das haben sie viele Jahre in Potsdam hinter sich, erst in der „Meise“ in der Waldstadt, die sie zehn Jahre betrieben haben, dann im „Happy End“ am Bahnhof Drewitz und im „Alten Fritz“ im Holländischen Viertel. Sie sind Gastronomen von Herzen. „Da kommt man nicht los“, sagt Mike Reindl. Selbst als sie versuchten, in den USA Fuß zu fassen oder eben auf Mallorca lebten, haben sie ihre Heimat nie ganz aufgegeben. Sie behielten ihr Haus im Ortsteil Marquardt, in das sie nun zurückgekehrt sind. Wie lange sie jetzt hier sind, wissen die Reindls nicht. Es kann sich auch schnell alles wieder ändern.
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