
© Johanna Bergmann
Sportschule Potsdam gewinnt Klimaschutzwettbewerb: Die Energiesparmeister und die Wasserfrage
Wie Schüler der Sportschule Potsdam mit einer einfachen Idee ihren Abfallberg verringern wollen – und dafür bundesweit Anerkennung erfahren.
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Potsdam - Die Zahl ist beeindruckend: Fünf Tonnen Plastikmüll fallen jedes Jahr in der Sportschule Potsdam „Friedrich Ludwig Jahn“ an – allein für Wasserflaschen. Übereinander gestapelt würde man damit auf rund 45 Kilometer Höhe kommen, fünfmal so hoch wie der Mount Everest, hat die Projektgruppe um Sportschüler Lennart Lind ausgerechnet. Damit, so geht ihre Rechnung weiter, fallen pro Jahr allein für die Plastikflaschen an der Sportschule 16 Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid an. Das entspreche etwa der Menge, die ein abgasarmes Auto bei drei Erdumrundungen ausstoßen würde. Und: Die Sportschüler bezahlen bei einem Konsum von etwa 2,1 Liter Wasser pro Schultag im Jahr zusammengerechnet rund 20 000 Euro für Wasser in Plastikflaschen. Lennart Lind wollte das ändern – und startete vor zwei Jahren an der Schule die Initiative „TrinkWasser!“.
Mehrere Preise bekamen er und seine Mitstreiter dafür schon, erst in der vergangenen Woche konnte die Sportschule mit der Schülerinitiative den bundesweiten Klimaschutzwettbewerb „Energiesparmeister“ für sich entscheiden. Über 5000 Euro konnte sich die Initiative freuen. Auch zur Preisverleihung beim Bundesumweltwettbewerb im September ist die Schule wieder eingeladen. Schulleiter Rüdiger Ziemer spricht sogar von „einem unserer erfolgreichsten Schuljahre“, dem das Projekt die Krone aufsetze – und verweist auf die Nominierung zum Deutschen Schulpreis und die drei Sportschüler und zwölf Ehemaligen, die bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro im August Deutschland vertreten werden.
Rund 300 Flaschen bereits verkauft
Um sportliche Erfolge geht es beim TrinkWasser-Projekt zwar nicht. Die Idee ist denkbar naheliegend und vielleicht deshalb so effektiv: Die Schüler werben unter ihren Mitschülern für die Nutzung von Leitungswasser – aus dem Wasserhahn oder einem Wasserspender. „Ich habe lange schon selbst eine Edelstahlflasche genutzt“, erzählt Initiator Lennart Lind. „Wasser aus der Leitung ist genauso gut oder besser als das aus dem Discounter“, ist er überzeugt. Kraft und Zeit für die Initiative fand der heute 19-Jährige, als er seine angestrebte Sportlerkarriere als Leichtathlet in der zehnten Klasse wegen Gesundheitsproblemen aufgeben musste. „Ich habe mir eine andere Herausforderung gesucht“, sagt er heute.
Lennart Lind fand erst weitere Trinkwasseraktivisten, mit denen er die Fakten rund um den Trinkwasserverbrauch und Plastikverschwendung recherchierte, und dann einen Edelstahlflaschenhersteller, mit dem sie gemeinsam eine eigens für die Sportschule gestaltete Flasche in drei Farben auflegten. In den Klassen und bei Elternversammlungen machten die Schüler dann Werbung für ihre Idee. Rund 300 Flaschen wurden bereits an der Schule verkauft, erzählt Lennart Lind. Besonders die rote Variante war schnell vergriffen. Momentan gibt es neben der silbernen und der schwarzen auch eine orangefarbene „Special Edition“ – die Trinkflasche soll regelmäßig in neuem Design erscheinen. Mit 15 Euro liegt der Preis unter dem, was man sonst für eine solche Flasche zahlt.
Organisationstalent und soziale Kompetenzen
Am gestrigen Dienstag kam auch ein Trinkwasserspender in der Cafeteria der Schule dazu, er wurde feierlich eingeweiht mit Vertretern des Landesbildungsministeriums und der Stadt. An drei Zapfstellen kann dort gekühltes Leitungswasser wahlweise mit oder ohne Kohlensäure gezapft werden. Zehn Euro pro Jahr zahlen Schüler und Lehrer für die Nutzung. „Damit kommen wir sogar auf einen kleinen Überschuss“, erklärt Initiator Lennart Lind. Geld, das als Rücklage für Reparaturen oder in die Anschaffung weiterer Wasserspender fließen könnte. „Wir wollen langfristig unabhängig von äußeren Geldgebern werden“, erklärt der Abiturient. Auch eine Schülerfirma soll gegründet werden, die das Projekt weiterträgt – über die Sportschule hinaus, wie es dem Initiator vorschwebt. „Jetzt geht es bei uns los – und ich hoffe, bald auch an anderen Schulen.“
Lennart Lind wird dann nicht mehr dabei sein. Er bereitet sich auf sein Freiwilliges Soziales Jahr im schottischen Aberdeen vor. Auch zwei weitere Trinkwasserbotschafter, wie sie sich selbst nennen, verlassen die Schule. Aber Lind ist zuversichtlich, dass die Initiative weitergetragen wird. Besonders in den 7. Klassen sei der Zuspruch groß gewesen, berichtet er: „Das soll von unten nach oben wachsen.“
Die Trinkwasserbotschafter lernen bei der Beschäftigung mit dem Thema mehr als nur die Fakten zum Trinkwasser, wie Lennart Lind betont. Es geht auch um Organisationstalent und soziale Kompetenzen, die bei einem späteren Arbeitgeber gefragt sind. Denn Präsentationen vor Mitschülern, Eltern und Wettbewerbsjurys gehören für die Trinkwasserbotschafter zum Tagesgeschäft. „Mir hat es einiges gebracht“, bilanziert etwa Adrian Witt: „Ich kann heute frei reden.“
Kontakt zum Projektteam per Mail an trinkwasser@sportschule-potsdam.de
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