Homepage: Die Energiewende gerät ins Stocken
Ein Jahr nach dem Atom-Ausstieg diskutierten Experten um Ex-Umweltminister Klaus Töpfer die Lage
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Erst der Jubel, dann die Flaute. Ein Jahr nach dem Beschluss des Deutschen Bundestages, die Energiewende einzuleiten und alle Atomkraftwerke bis zum Jahr 2022 vom Netz zu nehmen, ist von der Aufbruchstimmung wenig geblieben. Der Umbau der Industriestruktur erweist sich schwieriger als angenommen. Das ist das Fazit einer hochkarätig besetzten Diskussionsrunde des auf Nachhaltigkeitsforschung spezialisierten Potsdamer Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) unter der Leitung des ehemaligen Umweltministers und Exekutivdirektors des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Klaus Töpfer.
Institutschef Töpfer warnte vor Forschern und Fachleuten aus der Energiewirtschaft, Nichtregierungsorganisationen und Politik vor einer medialen Flaute. Immer seltener finde das Thema Energiewende in den Medien statt, immer seltener werde darüber gesprochen. „Wie wird aus der Aufbruchstimmung eine permanente Begeisterung? Was ist zu tun, womit fangen wir an?“, so Töpfer.
Zunächst gelte es, grundlegende Probleme aus dem Weg zu räumen, erklärte Ewald Woste, der Präsident des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft Berlin, auf dem Podium. „Zuerst dachten alle, man könnte Windkrafträder wie Legosteine in der Nordsee versenken und dann liefern sie Strom.“ Tatsächlich erweise sich die Stromerzeugung auf hoher See als ein logistisches Problem, sagte Leonhard Birnbaum, Vorstandsmitglied des Energiekonzerns RWE. Es gebe etwa erhebliche Schwierigkeiten, einen 295-Megawatt-Windpark in der Nordsee-Ost ans Netz zu bringen. Es fehle der Netzanschluss. Zudem sei nicht geklärt, ob der Staat bei Kosten für Schäden und Ausfällen der Windanlage einspringe. Bis zum Jahr 2030 sollen Windparks mit einer Leistung von 25 000 Megawatt etwa 15 Prozent des deutschen Strombedarfs decken. Gegenwärtig liefern jedoch erst 52 Generatoren Strom. Es bestehe die Gefahr, dass Anlagenbauer nach England abwandern, wo Genehmigungen für Windparks in Küstenregionen einfacher zu bekommen seien. Dabei könnte der Ausbau der Windkraft sogar konjunkturfördernd für deutsche Küstenstädte sein, glaubt der Direktor des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung, Peter Herzig.
Unklar ist auch, wie der Strom gespeichert und im Land verteilt werden kann. Berücksichtigt werden müsse, dass künftig weniger Strom aus Steinkohle- und Atomkraftwerken fließen werde, bemerkte die Netzspezialistin Britta Buchholz. Die Bundesnetzagentur hatte kürzlich einen Netzentwicklungsplan vorgelegt, nach dem bis 2022 rund 3800 Kilometer neue Stromtrassen gebaut werden und 4000 Kilometer vorhandene Trassen aufgerüstet werden sollen.
Zeitgleich muss sich die Deutsche Solarindustrie auf einen harten Wettbewerb mit chinesischen Unternehmen einstellen. „Unsere Technologie steht immer noch an der Weltspitze“, sagte Milan Nitzschke, Sprecher der Solar World AG. Den Vorsprung gelte es zu halten.
Reinhard Hüttl, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, betonte, dass es sich bei „Green Technology“ um Zukunftstechniken handele, die sich längerfristig als ein erheblicher Kosten- und Wettbewerbsvorteil erweisen würden. Das sieht auch Christoph Bals von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch so. Er ist optimistisch: Noch vor 2030 seien die regenerativen Energien in der Lage, günstigeren Strom zur Verfügung zu stellen als konventionelle Kraftwerke. Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
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