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Tag der Architektur: Die Erben von Schinkel und Persius

Am Wochenende herrschte großes Besucherinteresse an den Führungen zum Tag der Architektur in Potsdam

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Moderne Architektur führt bisweilen zu heftigem Streit in der Weltkulturerbestadt Potsdam. Falsch platzierte oder überdimensionierte Bauten zerstörten schon manche der historischen Sichtachsen. In einigen anderen Fällen genügten die Entwürfe der Architekten nicht dem in der Stadt von Schinkel und Persius anzulegenden Qualitätsmaßstab. Der seit einigen Monaten arbeitende Gestaltungsrat soll derartige Bausünden künftig verhindern helfen. Aber auch dieses Gremium kann nur bewerten, was von den Architekten als Entwurf geliefert wird.

Die jeweils jüngsten bereits verwirklichten Leistungen der Architekten stehen im Fokus des alljährlich im Sommer stattfindenden Tags der Architektur. An diesem Tag gewähren die – oft privaten – Bauherren Einblicke in ihre Architektenhäuser. Aber auch durch moderne Häuser öffentlicher Institutionen kann der architekturbeflissene Bürger wandeln.

Zum Tag der Architektur am gestrigen Sonntag öffnete die Bundesstiftung Baukultur ihre Pforten für die Besucher. Die in der Schiffbauergasse residierende Stiftung trägt ihren Anspruch bereits im Namen: Wer sich der Baukultur verpflichtet fühlt, darf selbst wohl kaum in einem 08/15-Bau beheimatet sein, zumal wenn es sich um einen eigens für den Hausherrn hergerichteten Bau handelt. Die Architekten Georg Heidenreich und Jörg Springer vom Büro Springer Architekten, Berlin, haben sich dieser Aufgabe gestellt. Sie standen vor der Aufgabe, die früher militärisch genutzte sogenannte Husarenvilla, ein klassischer Backsteinbau mit Walmdach, für die Belange der Bundesstiftung Baukultur umzubauen. Die Strenge des alten Hauses ist dabei einer gewissen architektonischen Offenheit gewichen, ohne den Ursprung des Hauses unkenntlich zu machen.

Das bemerkenswerteste Detail an der veränderten Fassade dürfte das Ziegel-Gittermauerwerk im zweiten Obergeschoss sein. Dort, wo sich einst der Dachboden befand, schufen die Architekten ein weiteres Vollgeschoss und standen daher vor der Aufgabe, die neu entstandene Fassade des zweiten Obergeschosses angemessen zu gestalten. Dabei entschieden sie sich für einen modernen Ansatz, der jedoch Elemente der ursprünglichen Fassade aufgreift: Neben großen Panoramafenstern finden sich Fensterflügel mit transluzenten – also lichtdurchlässigen, aber nicht durchsichtigen – Scheiben. Außen vor jene transluzente Fenster haben die Architekten ein Gitter aus Ziegelsteinen gesetzt. Durch die Zwischenräume dieses Gitters kann das Licht zu den Scheiben dringen. Der Chic dieses Ziegelsteingitters besteht darin, dass die aus den gleichen Steinen bestehende Backsteinfassade der unteren Geschosse damit aufgenommen und in einer Transparenz vermittelnden Weise nach oben hin fortgeführt wird.

Die Fluchttüren im zweiten Obergeschoss warfen am gestrigen Sonntag Fragen nach deren Praktikabilität und Zulässigkeit auf. Schließlich handelt es sich um Türen in der Fassade, die lediglich in den Abgrund führen. Eine Fluchttreppe nach außen sucht man vergebens. Architekt Heidenreich verwies darauf, dass diese Fluchtweggestaltung von der Brandenburgischen Bauordnung gedeckt sei. Die Feuerwehr könne mit ihren Rettungskörben bis an die Fluchttüren von außen heranfahren. Tja, und der Rest sei „fast wie Wellness-Flüchten“: Ein Schritt auf den Fenstersims und ein Schritt in den Korb. Schon sei die Rettung perfekt. Für den Brandschutz haben sich die Architekten auch an anderer Stelle etwas Ungewöhnliches ausgedacht. Im Gebäude gibt es eine im Brandfall von oben herabzulassende Brandschürze – ähnlich den von Theatern bekannten eisernen Vorhängen. Damit soll ein etwaiges Feuer auf einen Sektor des Hauses beschränkt werden können.

Ein anderes Zeugnis modernen Bauens in Potsdam war am gestrigen Tag der Architektur ebenfalls für die Besucher geöffnet – ein von Wolfgang Grassl aus Gransee konzipierter Neubau in exklusiver Lage. Im Bertiniweg 3 haben sich Karen Sokoll und Thorsten Walter ihren Traum vom Architekten-Holzhaus erfüllt. Das im Jahre 2009 fertiggestellte Gebäude in leichter Hanglage mit Wasserblick greift die Tradition des neuen Bauens auf, wie Hausherr Walter erläuterte. Das Haus stehe in der Tradition des klassischen Potsdamer Holzsommerhauses – wenngleich von den Bauherrn als ganzjähriges Domizil genutzt. Das Haus ist eine Ständerholzkonstruktion. Die Ständer bestehen aus Kiefer. Die Fassade hingegen ist mit Lärchenholz verschalt. Ein besonderer Clou sind die über Eck angeordneten Glasfenster, in deren „Eck-Knick“ dem Betrachter kein Rahmenholz die Sicht versperrt.

Bauherr Walter lobte gestern das gute Klima im Holzhaus, die exponierte Lage und freilich die Architektur. „Atmosphärisch ist das sehr stimmig“, sagt Walter über sein Anwesen.

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