Links und rechts der Langen Brücke: Die es ausbaden müssen
Henri Kramer über die Jugend-Debatte in Potsdam, provozierende Fragen und engagierte Jugendliche, die vielleicht zu spät auf sich aufmerksam machen
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Kurz vor den Wahlen kocht der Dauerstreit um Jugendkultur in Potsdam erneut hoch. Wenn es um das Thema geht, können sich die Stadtverordneten bei ihrer nächsten Sitzung am kommenden Mittwoch auf eine emotionale Debatte einstellen, speziell beim geplanten „Freiland“-Jugendzentrum. Die Diskussion ist in Zeiten einer für Potsdam niederschmetternden Steuerschätzung noch schwieriger geworden. Denn es geht längst nicht mehr allein um „Freiland“, in dem sich ein dringend benötigter Ersatzstandort für den Jugendklub S13 und die schmerzlich vermissten alternativen Kulturangebote des Spartacus e.V. etablieren sollen – von dringend benötigten Probenräumen für Bands einmal ganz zu schweigen. Einmalig 500 000 Euro und jährlich 125 000 soll die Stadt hier aufwenden, dazu kommen noch 440 000 Euro und eine Gelände von den Stadtwerken. Gleichzeitig ist der Druck an anderer Stelle mindestens genauso hoch: Beim „Archiv“, ein funktionierendes alternatives Jugendzentrum mit Publikum, Konzerten und Partys, das bislang auskam ohne einen Cent Förderung. Nun aber bittet der Trägerverein um Hilfe bei Sanierungsarbeiten, sonst muss der traditionsreiche Schuppen zum Jahresende schließen. Die Rede ist von 400 000 Euro nur für die nötigsten Arbeiten. Wird ein Baubeginn im kommenden Jahr unterstellt, würde allein der Bereich Jugendkultur so zusätzlich den Stadthaushalt mit einer Million Euro mehr belasten. Angesichts dessen lassen sich provozierende Fragen stellen: Ist so eine Summe zumutbar in Zeiten drückender Schulden, wenn mit Sicherheit auch bei sozialen Projekten gespart werden muss? Und wäre es nicht eigentlich stadtplanerisch klüger, den geplanten „Freiland“-Platz am ehemaligen Wasserwerk-Gelände lieber für Häuser bereits zu halten, die den überhitzten Wohnungsmarkt entlasten könnten? Anders herum gedacht werden wohl auch wieder Stimmen die 6,5 Millionen Euro, die Potsdam jährlich für Hochkultur ausgibt, gegen die eine Jugendkultur-Million ausspielen wollen Die Fragen zeigen, wie viel diese Debatte auch Provokations-Potential besitzt. Nicht zuletzt auch für die Zielgruppe: Denn für „Freiland“, „Archiv“ und Co. sind hunderte junge Potsdamer auf die Straße gegangen sind, engagieren sich viele Jugendliche schon seit Monaten – etwas, das so seit vielen Jahren nicht mehr in Potsdam passiert ist. Entsprechend enttäuscht dürften die Jungen von der Politik sein, falls all ihre Anliegen scheitern oder erneut verschoben werden. Paradoxerweise scheint diese Jugendbewegung aber zu spät zu kommen, ist möglicherweise schon zu viel vom Potsdamer Kuchen verteilt. So müssen die Jugendlichen nun ausbaden, dass die Stadt und ihre Politik das Thema Jugendkultur über Jahre vernachlässigt haben – mit all dem fast unlösbaren Handlungsdruck, der seit mehr als einem Jahr besteht.
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