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Homepage: „Die Gans alleine ist nicht das Problem“

Ernährungsforscherin Susanne Klaus erklärt, wie man durch eiweißreiche Kost abnehmen kann

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Frau Klaus, Sie haben eine gute Nachricht: Eiweißreiche Ernährung kann Übergewicht verringern. Können Sie das auch erklären?

Dass eiweißreiche Kost das Körpergewicht senken kann, wussten wir bereits aus anderen Studien. Aber nicht warum. Wir wollten wissen, wie das funktioniert. In Versuchen mit Mäusen haben wir nun herausgefunden, dass eine erhöhte Aufnahme von Eiweiß im Körper wiederum zu einer erhöhten Wasseraufnahme führt. Wir nehmen an, dass dadurch ein Sättigungsgefühl entsteht. Bereits fünf Stunden nach der Umstellung auf eiweißreiche Kost tranken die Mäuse deutlich mehr als vorher und aßen weniger. Sie sind einfach satter.

Nun sind wir aber keine Mäuse, sondern Menschen.

Das stimmt, das ist an solchen Untersuchungen immer zu beachten. Auch, dass sie unter streng kontrollierten Bedingungen stattfinden. Allerdings sind die generellen Regulationsmechanismen von Körper, Gewicht und Appetit bei der Maus und dem Menschen sehr ähnlich. Man kann durchaus Rückschlüsse daraus ziehen.

Welchen Mechanismus haben Sie entdeckt?

Durch eine erhöhte Aufnahme von Stickstoff, das im Eiweiß gebunden ist, braucht der Körper mehr Wasser, um den Stickstoff über den Urin wieder ausscheiden zu können. So wird eine Vergiftung des Körpers durch Ammoniak vermieden. Das Trinken korreliert mit dem Stickstoff, die Leber synthetisiert daraus Harnstoff, auch das verbraucht zusätzlich Energie. Um das über den Urin auszuscheiden, braucht man mehr Wasser, daher der erhöhte Durst. Deshalb tranken die Mäuse nach der Eiweißkost mehr, was offensichtlich den Appetit zügelte.

Interessant ist an Ihren Ergebnissen auch, dass die Mäuse mehr Fett fressen konnten, ohne dicker zu werden.

Die Versuchstiere, die viel Eiweiß bekamen, nahmen trotz fettreicher Kost nicht weiter zu. Auch wiesen sie deutlich niedrigere Cholesterin- und Leberfettwerte auf. Die Mäuse bekamen 40 Energieprozent, was für sie relativ viel ist. Das entspricht ungefähr dem, was die Menschen in den Industrienationen zu sich nehmen. Wenn man nun die Kohlenhydrate reduziert und dafür das Eiweiß erhöht, nimmt man weniger zu. Fett alleine macht also nicht dick, da spielen eben auch die Kohlenhydrate eine Rolle.

Sie haben auch gute Nachrichten für die Leber.

In unseren Versuchen wurde die Fettneubildung in der Leber durch das Eiweiß gebremst. Die Leberverfettung wird also durch stark eiweißreiche Kost verhindert. Das ist ein wichtiges Ergebnis, denn die Fettleber ist eine Wohlstandskrankheit. Und auf Dauer kann sie zur Leberzirrhose führen.

Wie könnte denn nun eine ideale Ernährung aussehen, wenn man durch Eiweiß Übergewicht vermeiden will?

Milchprodukte sind gut, vor allem auch Kasein, also Käse und Quark. Dann natürlich auch Fleisch, Fisch, Eier und Hülsenfrüchte, aber auch Vollkornmehl. Ursprünglich sind wir davon ausgegangen, dass der Eiweißbaustein Leucin besonders gut ist. Das hat sich aber nicht bestätigt, offensichtlich ist es egal, ob man Leucin, Alanin oder andere Proteine zu sich nimmt.

Wie sollte man den Speisenplan austarieren?

Eiweißhaltige Nahrungsmittel etwas erhöhen, Kohlenhydrate ohne Ballaststoffe – Weißmehl und Zucker also – zurückschrauben, denn die braucht man kaum. Ballaststoffe müssen weiter dabei sein. Hülsenfrüchte sind beispielsweise ideal, die haben viel Eiweiß und Ballaststoffe. Und man muss dabei nicht ganz auf Fett verzichten. Es liefert doppelt so viel Energie wie Eiweiß und Kohlenhydrate. Außerdem enthält es essenzielle Fettsäuren, die wir brauchen. Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind für Nerven, Hirn und Zellfunktion unabdingbar. Auf Fett können wir nicht verzichten.

Damit ist die Weihnachtsgans gerettet, sie liefert Eiweiß und Fett!

Tatsächlich ist Geflügelfleisch zu empfehlen. Die Zusammensetzung des Gänsefetts ist beispielsweise auch gar nicht so schlecht. Die Gans alleine ist nicht das Problem. Schwierig wird es nur, wenn man noch viele Klöße, Schokolade und Süßigkeiten dazu isst. Eigentlich sättigt die Gans ausreichend, durch das Eiweiß im Fleisch. Man sollte einfach nicht so viel dazu essen.

Es wird ja auch eine Fleischdiät zum Abnehmen propagiert.

Damit sollte man etwas aufpassen. Denn viel rotes Fleisch erhöht das Risiko für Darmkrebs. Geflügel und Fisch sind wesentlich besser.

Welche Relevanz messen Sie ihren Ergebnissen bei?

Sie tragen dazu bei, die Wirkung von Eiweißen und Eiweißbausteinen auf den lebenden Organismus besser zu verstehen. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um neue Methoden zu entwickeln, die Übergewicht und ernährungsbedingten Stoffwechselerkrankungen vorbeugen. Auch helfen sie, die Eiweißernährung differenziert zu betrachten. Es werden beispielsweise Präparate mit bestimmten Aminosäuren zum Abnehmen und für die Sporternährung propagiert. Unsere Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass es relativ egal ist, aus welcher Quelle das Eiweiß stammt. Anstatt eines Pulvers aus der Apotheke kann man auch einfach Milchprodukte zu sich nehmen.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

Susanne Klaus leitet am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) die Arbeitsgruppe Energiestoffwechsel. Sie ist Professorin für Ernährungswissenschaft an der Uni Potsdam.

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