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Landeshauptstadt: Die Kamera austricksen – für das perfekte Bild

Achim Bednorz und Rolf Toman sind Foto-Fetischisten. Zurzeit arbeiten sie an einem Potsdam-Buch

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Wie soll er das bloß erklären, das Licht, den Schatten, und dass hier in diesem Raum alles so kompliziert ist. „Wie soll man das perfekt fotografieren?“, sagt Achim Bednorz schulterzuckend. Auf der Galerie im historischen Sitzungssaal im Schloss Cecilienhof hat der Fotograf seine Kamera aufgebaut, um ein Foto für das Potsdam-Buch zu machen, das im kommenden März im h.f.ullmann-Verlag erscheinen soll. Eines von 550 Bildern. „550, echt“, fragt Bednorz seinen Team-Kollegen, Herausgeber Rolf Toman, und tut etwas überrascht. „350 Bilder sind ja schon da“, beruhigt dieser. Ein bisschen Arbeit ist jedoch noch übrig und man kann nur hoffen, dass sie nicht für jedes Bild so lange brauchen wie für das im Schloss Cecilienhof.

Fast fünf Stunden wird es letztlich dauern, bis Bednorz seine Kamera nach getaner Arbeit einpacken wird, an einem Montag, wenn das Haus für normalen Publikumsverkehr geschlossen ist. Undenkbar, dass an so einem Tag jemand durch den Raum laufen könnte, vielleicht noch eine ganze Reisegruppe.

„Ich mache Hunderte Aufnahmen, eine ganze Serie mit verschiedenen Belichtungen, erst am Rechner entsteht das perfekte Bild.“ Denn Bednarz will so weit wie möglich die Sehleistung des perfekten menschlichen Auges kopieren. Das Bild soll die Wirklichkeit abbilden – die Wirklichkeit soll nicht in der Kamera hängenbleiben.

Die Wirklichkeit im Sitzungssaal ist seit 1945 fast unverändert. Jeder kennt das Bild: Den runden Konferenztisch, an dem 1945 Truman, Churchill und Stalin das kaputte Deutschland unter sich aufteilten. Tausende von Schulkindern und Touristen sind hier seitdem durchgeschleust worden. Bednorz aber interessiert sich jetzt mehr für Asa-Zahlen, Belichtungsstufen.

„Sehen Sie den grünen Rasen hinter dem Fenster? Die Grautöne der Schatten im Inneren des Raumes? Das Auge nimmt beides gleichzeitig wahr, die Kamera muss sich für eines entscheiden, dann ist entweder das Fenster schwarz oder der Schatten“, erklärt der Fotograf. Oder das einfallende Licht blendet. Oder der Raum ist in seinen Dimensionen leicht verzerrt. „Dann nehme ich ein Shift-Objektiv“, sagt er. Stundenlang gehe das manchmal so, sagt Toman, „und ich darf ja nicht neben ihm rumlaufen, weil der Boden wackeln könnte, also werde ich mich jetzt auf die Treppe setzen und lesen“.

Nein, Toman ist nicht sauer. Die beiden arbeiten seit 25 Jahren zusammen, haben für Ullmann mehrere kunstgeschichtliche Bände, darunter das legendäre „Ars Sacra“, gestaltet. Das monumentale Werk über die Kunst und Architektur des Abendlandes von den Anfängen bis zur Gegenwart legte die Messlatte hoch in Sachen Qualität, doch Herbert Ullman entschied sich, zwei weitere Bände, „Gotik“ und „Barock“, folgen zu lassen. Wieder war Achim Bednorz der Fotograf. Ein Buch über Potsdam war eigentlich nie geplant, zu viele Publikationen seien da schon im Umlauf, ließ der Verleger verlauten. Dass er sich dann doch entschied, seiner Wahlheimat ein fotografisch-literarisches Denkmal zu setzen, mag an dem bewährten Team Bednorz/Toman gelegen haben.

Mit 29 mal 44 Zentimetern und einem Gewicht von elf Kilogramm wird das Buch nicht gerade ein Stadtführer für den Rucksacktouristen. Gut möglich, dass man zum Entdecken des Buches ähnlich viel Zeit und Muße einplanen muss wie für einen tatsächlichen Spaziergang durch die Stadt, ihre Parks, Schlösser und Gärten. Und dabei viel entdeckt.

Wenn Bednorz und Toman unterwegs sind, ist die Kamera längst nicht immer im Anschlag. Es müsse sich schon lohnen, sie spontan rauszuholen, sagt Bednorz, und als ihm die Worte fehlen: „Es muss halt einfach schön sein.“

Sieht man sie dann fokussiert und mit kindlicher Vorfreude durch das Schloss und den Park laufen, Rucksäcke und Stativ in der Hand, spürt man ihre Leidenschaft. Da warte man eben auch mal aufeinander, sagt Toman. Natürlich nicht in einem historischen roten Plüschsessel. Mit Museumsetikette sind sie längst vertraut. „Vor allem nichts anfassen“, warnt Toman. Hin und wieder müssen sie einfallsreich sein, mit Leitern hantieren und mit schwarzen Tüchern Fenster zuhängen. Und einige Male wäre fast etwas passiert, einmal hätte er beinahe eine kostbare Vase umgeschmissen, gesteht Bednarz. Ja, natürlich sei er gut versichert.

Das Bild in Cecilienhof ist nicht das einzige in Potsdam, an dem sie lange basteln. In der Gemäldegalerie in Sanssouci haben sie versucht, die Lichtspiegelungen aus den Ölbildern zu entfernen. „Da sind überall Reflexionen drin, das ist sehr schwer“, sagt Bednorz.

Bednorz kommt aus der Architekturfotografie. Fotografieren heißt, mit Licht zu zeichnen, erklärt er, da brauche es schon etwas Geduld. Manchmal erlaubt erst der Winter, wenn das Laub der Bäume verschwunden ist, freien Blick auf bestimmte Gebäude. Einmal hat er gewartet, bis ein Radfahrer neben einer Kirche stand, um einen Größenvergleich im Bild zu haben. „Hinterher hab ich ihm per Fotoshop das Rad wieder geklaut, dann sah das Bild aus wie in der holländischen Landschaftsmalerei, so melancholisch“, sagt Bednorz stolz. Vielleicht fühlt er sich auch deshalb im Holländischen Viertel so wohl, dort wohnt der Kölner oft, wenn er in Potsdam arbeitet.

Wenn es darum geht zu entscheiden, welches Motiv es in das Buch schafft, steht zumindest fest: Es müssen einzigartige Bilder sein, jede Seite ein Erlebnis. „Was jeder schon gesehen hat, ist uninteressant“, findet Bednarz. Oder ist es gerade deshalb schön, weil man es wiedererkennt, fragt sich Toman? Später laufen die beiden Männer selbst zum wiederholten Mal durch den Neuen Garten und überlegen, wann der perfekte Moment gekommen sein wird, hier ein Foto zu machen. Noch sind die Baumkronen voll. Doch schon zeige sich hier und da ein zartes Gelb, vielleicht werden sie in drei Wochen wiederkommen, schätzt Toman.

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