Landeshauptstadt: Die Kleinen kommen
Bei der Kommunalwahl treten in Potsdam so viele Wählergruppen an wie noch nie – mit guten Chancen
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Die Slogans klingen selbstbewusst. „Wir sind keine Partei – wir sind die bürgerliche Alternative zum SPD-Filz in Potsdam“, wirbt das Bürgerbündnis in seinem Programm zur Kommunalwahl. Ähnlich klingt es bei Lutz Boede, Geschäftsführer der alternativen Wählergruppe Die Andere: „Wir sind mit dem Potsdamer Politikbetrieb nicht verfilzt, nicht mit in die Verteilung von Posten eingebunden.“ Auch Peter Schultheiß von den Potsdamer Demokraten ist überzeugt: „Wir haben bei uns keine Parteisoldaten, sondern Menschen mit gesundem Menschenverstand sowie Lebens- und Berufserfahrung, die die Potsdamer Probleme besser lösen können.“
So verschieden diese drei Wählergruppen sind, ein Punkt eint sie: Sie werben für sich als die glaubwürdigeren Alternativen zu den etablierten Parteien, als von Landes- und Bundespolitik unabhängige Vertreter Potsdamer Interessen: Zur Kommunalwahl am 25. Mai treten in Potsdam fünf Wählergruppen an – so viele wie noch nie.
Der Politikwissenschaftler Jochen Franzke von der Uni Potsdam glaubt, dass solche Gruppen eine Herausforderung für die Parteien darstellen, vor allem im ländlichen Raum mit schwachen Parteistrukturen, aber auch in Städten: „Der Einfluss solcher Wählergruppen wird zunehmen.“ Ein Grund sei die Parteienverdrossenheit. Zudem hätten Wählergruppen die Möglichkeit, lokale Themen zu behandeln, „die Parteien nicht auf ihrer Agenda haben“. Ein Beispiel dafür ist Die Andere. Mehrere Kandidaten der Wählergruppe gehören auch zu den Aktivisten gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche, vor wenigen Wochen begann das Bürgerbegehren gegen das Projekt. Inzwischen haben mehr als 9000 Potsdamer an den Info-Ständen unterschrieben, knapp sieben Prozent der Wahlberechtigten. Bei der Kommunalwahl 2008 kam Die Andere auf fünf Prozent der Stimmen. Nun hofft Boede, dass seine Fraktion die Zahl der Mandate von drei auf vier erhöhen könnte. „Wir stehen für die unabhängige Kontrolle der Stadtverwaltung und für die Zahlung von Tariflohn in den kommunalen Unternehmen“, sagt er. Auf den rund 1000 Wahlplakaten prangen statt Köpfen solche Slogans wie „Die Stadt ist kein Museum“. Der 49-Jährige sagt: „Statt einer barocken Kulisse wollen wir eine Stadt, die sich nach modernen Gesichtspunkten an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert.“ Ein wirksames Mittel gegen die Vereinnahmung durch Parteien und Lobbyinteressen sei für Die Andere das eingeführte Rotationsprinzip, so Boede – nach einem Jahr wechselt die Fraktion stets ihre Stadtverordneten aus: „Das schützt auch unsere Mitglieder – denn die Zeit im Stadtparlament ist ein Kraftakt.“
Auf mehr Stimmen hofft auch das Bürgerbündnis, das 2008 noch 3,3 Prozent erhielt. Nun hat die kleine Wählergruppe augenscheinlich die meisten Wahlplakate in der Stadt aufgehängt. „Im Gegensatz zu den Parteien kennt uns nicht jeder“, sagt der Bürgerbündnis-Spitzenkandidat, der Bauinvestor Wolfhard Kirsch, über die aufwendige Werbekampagne. Der 52-jährige Unternehmer gilt als Reizfigur, in Babelsberg werden Plakate überklebt: Statt „Bürger“ steht dort jetzt „Bonzen ins Rathaus wählen!“. Politische Konkurrenten ätzen, Kirsch gehe es bei der Wahl vor allem um einen Sitz im Bauausschuss der Stadtverordneten – für seine Projekte. Kirsch kontert: „Bei Angelegenheiten, die meine Firma betreffen, habe ich mich immer enthalten.“ Zusätzliche Informationen erhalte er als Stadtverordneter keine: „Im Gegenteil muss ich mich immer für meine Arbeit verteidigen.“ Doch ihm liege Potsdam am Herzen, mit kaufmännischer Vernunft und Sachverstand wolle er bei der Entwicklung helfen. Das Bürgerbündnis will sich etwa für die Rekommunalisierung der Stadtwerke, für eine verbesserte Verkehrs-Infrastruktur sowie mehr Papierkörbe und Hundetoiletten einsetzen. Kirsch mahnt auch zum sorgsamen Umgang mit dem Stadtetat: „Wir wollen keine Parkeintritte für Touristen finanzieren, um dann später für die Potsdamer die Steuern zu erhöhen.“ Neben Kirsch setzt die Wählergruppe auf Kandidaten wie den bekannten Architekten Christian Wendland, die Potsdamer-Tafel-Chefin Imke Eisenblätter und die frühere CDU-Politikerin Carmen Klockow, die auch Ortsvorsteherin von Neu Fahrland ist.
Aus der CDU kommt auch Peter Schultheiß. Zusammen mit Wolfgang Cornelius verließ er 2011 die Union und gründete die Zwei-Mann-Fraktion Potsdamer Demokraten. Nach der Kommunalwahl soll sich die Zahl der Mandate auf vier verdoppeln, hofft der 71 Jahre alte Schultheiß – allerdings sei das Ergebnis schwer abzuschätzen, gerade im bürgerlichen Lager gebe es viel Konkurrenz. Die Demokraten wollen sich etwa für bessere Verkehrsbedingungen einsetzen und fordern dafür einen neuen Ausschuss, in dem Stadtpolitiker und Experten regelmäßig beraten. Auch sie haben prominente Kandidaten aufgestellt, darunter Susann Prinzessin von Preußen, Schlagersängerin Cora von dem Bottlenberg und die Kajak-Olympiasiegerin Manuela Mucke-Lorenz.
Dagegen ist bei der Unabhängigen Wählergemeinschaft, die nur in der Innenstadt und Groß Glienicke antritt, vor allem ein Name bekannt: Andreas Menzel. Für den aus der Grünen-Fraktion ausgeschlossenen Stadtverordneten ist es die letzte Chance, weiter im Stadtparlament zu arbeiten und unter anderem für mehr Natur- und Umweltschutz sorgen. Und wie andere Wählergruppen spricht auch Menzel vom Potsdamer Filz: „Wenn sich am Potsdamer Klüngel etwas ändern soll, müssen die Potsdamer neue Gesichter wählen.“
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