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Landeshauptstadt: Die Mercure-Frage

Berliner Stadtbild-Verein schlägt Kompromiss vor. Grünen-Kreisverband rückt von Hotel-Abriss ab

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Innenstadt - Überraschender Kompromissvorschlag in der Debatte um die Gestaltung der Stadtmitte: Der Berliner Verein Stadtbild Deutschland, der sich deutschlandweit für die Wiederherstellung einstmals stadtbildprägender Bauwerke und Straßenzüge einsetzt, schlägt einen Bürgerentscheid zur Zukunft des Hotels Mercure vor. Es sei für viele Potsdamer ein Symbol der DDR-Vergangenheit ihrer Stadt. „Daher sollten auch alle Potsdamer ein direktes Mitspracherecht haben“, teilte der Verein mit. Im Gegenzug solle die Stadt den Abriss der Fachhochschule (FH) und auch des Wohnblocks Staudenhof wie geplant umsetzen. Die Stadt und ihre Bürger, insbesondere die widerstreitenden Initiativen von „Mitteschön“ und „Potsdamer Mitte neu denken“, fordert der Stadtbild-Verein auf, stärker über Kompromisse nachzudenken.

Der 2008 gegründete Verein setzt sich für „Schönheit und historisch verankerte Identität deutscher Stadtbilder“ ein und arbeitet deutschlandweit mit Bürgerinitiativen zusammen. Explizit wird von ihm das Ziel gelobt, in Potsdam zurück zum historischen Stadtgrundriss zu gelangen und einzelne Leitbauten und -fassaden zu rekonstruieren – das führe zu mehr „städtebaulicher Kleinteiligkeit“. Unter Berufung auf eine Studie der Technischen Universität Chemnitz erklärt der Verein weiter, gerade der Abwechslungsreichtum bei Fassaden werde „von den meisten Menschen als Steigerung der Lebensqualität eines Stadtviertels betrachtet“. Dies aber fehle bei FH und Staudenhof: „Durch deren großflächige Bauweise, das Flachdach und die einheitlich gerasterte Fassade wirken diese Gebäude monoton und blockhaft.“ Insofern wären der Erhalt des FH-Baus und des Staudenhofs „ein schwerer städtebaulicher Fehler“. Daher wirbt der Verein auch für die von der Stadt vorgesehenen neuen Wohn- und Geschäftskarrees anstelle der FH: Folglich könne man mehr Passanten, mehr Einzelhandel und – vielleicht – mehr Touristen erwarten. Potsdam habe jedenfalls die Chance, mit Hilfe von Investoren „eine große Wunde im Stadtbild zu heilen“.

Anders betrachtet der Verein das Mercure. Zwar besitze dies auch die kritisierte Blockbauweise – im Unterschied zur FH sei das Mercure durch die vielbefahrene Breite Straße vom Landtagsschloss aber „stadträumlich stärker getrennt“, sodass der Kontrast zwischen den beiden Gebäuden für Passanten weniger stark sei als bei der FH. Zudem gehe es am Hotelstandort um eine Erweiterung des Lustgartens, nicht aber um „wertvolle Vorkriegsbebauung“. Daher sei dort auch ein Kompromiss möglich – eben der Bürgerentscheid. Diesen hat bereits die Linke gefordert, die Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW und Grünen aber abgelehnt – weil zunächst mit dem privaten Eigentümer des 17-Geschossers etwa über den Kaufpreis verhandelt werden soll. Dieses Vorhaben verzögert sich nach PNN-Informationen, weil das Mercure und andere Hotels gerade im Paket an eine französische Immobiliengesellschaft verkauft worden sind.

Unterdessen setzt sich der Kreisverband der Grünen in einem wichtigen Punkt von der Stadtfraktion ab. Denn in einem jetzt beschlossenen Acht-Punkte- Programm für eine lebendige Mitte heißt es zum Mercure: „Wie dort die weitere Entwicklung aussehen soll, wird in der Stadtpolitik und Stadtgesellschaft weiter zu diskutieren sein.“ Die Fraktion hatte die Abrisspläne zuletzt in einem Papier verteidigt. Mit der nun offen gewählten Formulierung versucht der Grünen-Kreisverband nach PNN-Informationen einen Kompromiss zwischen jenen Mitgliedern in der Fraktion, die einen Abriss befürworten – und jenen, die das skeptisch sehen. Einig sind sich Fraktion und Kreisverband aber darin zu verhindern, dass von dem privaten Eigentümer des Hotels bauliche Fakten geschaffen würden, die in Potsdam niemand mehr beeinflussen könne.

Auch in anderen Punkten herrscht Konsens. So hält die Partei den Abriss der FH nach ihrem Leerzug 2017 für unverzichtbar. Denn nur so lasse sich in der Mitte neuer Wohnraum schaffen und die Aufenthalts- und Lebensqualität erhöhen. Beim Grundstück des nach 2022 für den Abriss vorgesehenen Staudenhofs Am Alten Markt plädieren die Grünen dafür, es in städtischer Hand zu behalten. Ein Abriss komme auch nur in Frage, wenn an diesem Standort die Förderung von Sozialwohnungen zu mindestens einem Drittel gesichert sei. Ähnlich hat es zuletzt auch die Grünen-Fraktion um Bauexpertin Saskia Hüneke, die zu den wichtigsten Unterstützern des Leitbautenkonzepts für die Mitte zählt, formuliert. Explizit fordert der Kreisverband den Bau einer Kita im Bereich der neu entstehenden Mitte.

Unterdessen hat die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“, die das Bürgerbegehren für einen Verkaufsstopp von Mitte-Grundstücken initiiert hat, eine für Freitag angekündigte Pressekonferenz auf nächste Woche verschoben. Es gebe noch Abstimmungsbedarf, hieß es. Die Initiative hatte auf Einwände der Stadtverwaltung reagieren wollen – das Rathaus hatte zuletzt dargestellt, dass allein etwa die Sanierung des FH-Gebäudes mehr als 30 Millionen Euro kosten würde, ohne dass es dafür einen sinnvollen Nachnutzungsplan gebe. Inzwischen hat die Initiative mehr als 13 000 der 14 000 nötigen Unterschriften gesammelt, um im Endeffekt einen Bürgerentscheid zum Verkaufsstopp in der Mitte erzwingen zu können.

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