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14.000 gültige Unterschriften sind für ein erfolgreiches Bürgerbegehren nötig. Dann kann es zu einem Bürgerentscheid kommen.

© A. Klaer

Streit um Potsdamer Mitte: Die Mitte-Rechnung

Während die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“ vor Gericht weiter für das Bürgerbegehren kämpft, bringt sich die Stadtverwaltung mit Argumenten für das Leitbautenkonzept in Stellung. Und sagt unter anderem, wie viel der Erhalt und die Sanierung der Fachhochschule kosten würde.

Stand:

Potsdam - Die Stadtspitze um Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) geht mit neuen Argumenten und Zahlen in das weitere politische Ringen um die Entwicklung der Potsdamer Mitte. In der Antwort auf eine große Anfrage von Jakobs’ Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW und Bündnis90/Grüne gibt die Verwaltung unter anderem Auskunft über die Kosten für Erhalt und Sanierung der Fachhochschule.

Die Zahlen wurden bereits im Mai veröffentlicht, aber werden erst in der Novembersitzung der Stadtverordneten besprochen – lange nach dem Konsensbeschluss des Stadtparlaments, das Bürgerbegehrens „Kein Ausverkauf der Potsdamer Mitte“ mit mehr als 15 000 Unterschriften (PNN berichteten) abzuschmettern. Die Antworten aus dem Rathaus sind bedeutsam – nicht nur, weil sie die Entwicklung in der Mitte skizzieren. Sondern auch, weil die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“ beim Verwaltungsgericht wegen des für unrechtmäßig erklärten Bürgerbegehrens Klage gegen die Stadt eingereicht hat. Mit dem Begehren wollte die Initiative einen Verkaufsstopp für öffentliche Grundstücke in der Mitte durchsetzen und ausschließen, dass öffentliche Mittel für den Abriss von Hotel Mercure, Fachhochschule oder Staudenhof ausgegeben werden.

Was würde die Umsetzung des Bürgerbegehrens die Stadt kosten?

Die Stadtverwaltung rechnet allein für den Erhalt und die Umnutzung der Fachhochschule mit 33,18 Millionen Euro. Hinzu käme die Summe, die die Stadt für den Ankauf des Grundstücks aufwenden müsste – das Grundstück müsste zum Verkehrswert aus dem Treuhandvermögen „herausgekauft“ werden, so die Stadt. Außerdem rechnet die Stadt mit Kosten für weitere Umplanungen, da der sogenannte „Verbinder“, also der Gebäudeteil, der zwischen dem Bildungsforum und der Fachhochschule liegt und bereits teilweise abgerissen ist, umgeplant werden müsste. Auch die laufenden Kosten für den Betrieb der Fachhochschule beziffert die Stadt: Sie geht von jährlich rund 450 000 Euro Betriebskosten und etwa 100 000 Euro Personalkosten für mindestens zwei Hausmeister aus.

Welche Kosten würden durch die Umsetzung des Bürgerbegehrens gespart?

Die Stadt könnte in den kommenden 20 Jahren 1,03 Millionen Euro sparen. So hoch liegt der kommunale Eigenanteil für die in der Mitte geplanten Vorhaben: Der Abriss des FH-Gebäudes und der Staudenhof-Freifläche sowie der Neubau von Straßen wie der Kaiserstraße und der Schwertfegerstraße. Die übrigen gut 5,1 Millionen Euro für diese Maßnahmen – darunter auch der mit 4,5 Millionen Euro kalkulierte FH-Abriss – sollen laut Plan aus Fördermitteln finanziert werden. Dieses Geld ist zweckgebunden bewilligt, betont die Stadt. Es könne also nicht ohne Weiteres etwa für den Erhalt der Fachhochschule „umgewidmet“ werden.

Welche Einnahmen gehen der Stadt bei Annahme des Bürgerbegehrens verloren?

Die Stadt geht in der Mitte von zu schaffendem Wohnraum für rund 1000 neue Einwohner aus – bei Annahme des Bürgerbegehrens würde dieser Wohnraum wegfallen. Der Stadtkasse entgingen damit pro Jahr rund 689 000 Euro Schlüsselzuweisungen vom Land und geschätzte 592 000 Euro Einnahmen aus Grundsteuer sowie Einkommens- und Umsatzsteuer.

Wie viele „Luxuswohnungen“ sollen laut Leitbautenkonzept in der Mitte entstehen?

Diese Frage beantwortet die Stadt nur im Umkehrschluss: Geplant werde ein Quartier mit einer „sozial durchmischten Einwohnerschaft“, heißt es. Ein Drittel der entstehenden Wohnfläche soll laut der Konkretisierung des Leitbautenkonzeptes mit Mietpreis- und Belegungsbindung finanziell schlechter gestellten Potsdamern zur Verfügung stehen. Das könnten abhängig von den Wohnungsgrößen zwischen 115 und 216 neue Sozialwohnungen in der Mitte sein – mögliche Ersatzwohnungen für den Staudenhof nicht mit eingerechnet. Insgesamt geht die Stadt von zirka 550 neuen Wohnungen in der Mitte aus.

Wie viele Sozialwohnungen gehen durch das Leitbautenkonzept verloren?

Durch den Abriss des Staudenhofes gehen 180 preiswerte Wohnungen verloren, so die Stadt. Dabei handele es sich aber nicht um Wohnungen mit Belegungsbindung, also nicht um dauerhaft gesichert günstigen Wohnraum. Die Wohnungen sollen zudem vor Ort in gleicher Anzahl bestehen bleiben.

Welche Potenziale für Wissenschaft, Kultur und Bildung sieht die Stadt in der Mitte?

Die Stadt geht davon aus, dass es im Sanierungsgebiet Potsdamer Mitte keine Defizite im Bereich der Wissenschaft oder öffentlicher Kultureinrichtungen gibt und verweist auf die Bibliothek, das Potsdam Museum, das Filmmuseum, das Museum Barberini und die Wissenschaftseinrichtungen am Neuen Markt. Grundsätzlich gebe es aber im gesamten Stadtgebiet die Nachfrage nach kostengünstigen Ateliers und Proberäumen für Künstler. Hier verweist die Stadt auf das Kreativhaus im Rechenzentrum, wo solche Räume vorhanden seien. Nicht erwähnt in den Ausführungen: Der Nutzungsvertrag über das Rechenzentrum gilt derzeit nur bis 2018, und es ist ausgelastet.

Welche Fördermittel wurden bislang schon für die Umsetzung des Leitbautenkonzeptes ausgegeben?

Die Stadt beziffert die bereits getätigten Ausgaben auf gut 58 Millionen Euro. Den größten Posten machen mit gut 36 Millionen Euro Gelder aus dem Städtebauförderungsprogramm „Städtebaulicher Denkmalschutz“ aus, hinzu kommen Hauptstadtmittel und Gelder aus verschiedenen EU-Programmen.

Hinweis: In der ersten Version dieses Beitrags stand, dass die Antworten erst jetzt veröffentlicht wurden. Das ist nicht korrekt. Die Antworten wurden bereits im Mai veröffentlicht, allerdings werden sie jetzt in der Novembersitzung des Stadtparlaments besprochen.

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