
© M. Thomas
Von Henri Kramer: Die nächste Diskussion
Potsdams neue Kulturbeigeordnete Iris Jana Magdowski sprach mit jungen Potsdamern über Jugendkultur
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Giro überlegt, ob er aus Potsdam wegzieht. „Die Stadt ist nur interessant für Touristen“, sagt der 24-Jährige. Doch für ihn zähle nicht das Aussehen, sondern die Art zu leben, frei und selbstbestimmt. So ähnlich wie der angehende Veranstaltungstechniker denkt auch Grete. Die Landeshauptstadt wirke wie ein „herausgeputztes Freilichtmuseum“, sagt die 19-Jährige, die sich im mittlerweile geschlossenen Spartacus-Jugendhaus in der Schloßstraße engagiert hat – und diese ehrenamtliche Arbeit wiederhaben will. „Doch seit anderthalb Jahren reden die Politiker in Potsdam nur um das Problem herum“, sagt sie in die Kamera hinein.
Solche Sätze haben die rund 100 jungen Besucher gehört, die am Dienstagabend auf den Bassinplatz an ein Lagerfeuer gekommen sind. Auf Einladung des Stadtjugendrings hat dort die neue Potsdamer CDU-Kulturbeigeordnete Iris Jana Magdowski mit jungen Leuten über Jugendkultur diskutiert – und ist mit einem Film begrüßt worden, in dem Grete und Giro zusammen mit zwei anderen Potsdamern ihren Frust über die Stadt ablassen. 20 Minuten lang. Gedreht haben ihn junge Leute aus dem Jugendklub S13, der früher seine Räume im Spartacus hatte, jetzt aber nur ein Provisorium in der Holzmarktstraße besitzt und in das geplante, aber heftig umstrittene „Freiland“-Areal umziehen soll. Für den Umzug werben an diesem Abend die meisten Besucher – genau wie für den Erhalt des von Schließung bedrohten Archivs in der Leipziger Straße. Der Film ist der Auftakt dafür. Doch wird es ein Abend, an dem die Beigeordnete und ihre Gesprächspartner trotz mancher verbaler Nettigkeiten oft aneinander vorbeireden. Es gab schon viele solcher Diskussionen.
Ein Beispiel sind Vorwürfe wie sie der 26-jährige Benjamin Bauer erhebt, wenn er über das Waschhaus in der Schiffbauergasse redet: Steril sei es dort und zu teuer. Magdowski kontert. Der Eintritt dort sei günstiger als jede Tabak-Packung, „bezahlbar“. Viele Gäste schütteln die Köpfe und lachen darüber, verständnislos.
Ein anderes Thema ist die Befragung unter allen Potsdamer Jugendlichen, die Magdowski plant – sie will wissen, welche Angebote Jugendliche in Potsdam überhaupt „annehmen“. Dem widersprechen vor allem die engagierten Aktivisten der Alternativkultur und verweisen etwa auf zwei Demos innerhalb des vergangenen Jahres, bei denen jeweils 1500 Teilnehmer neue Freiräume für junge Potsdamer forderten. Doch das reicht Magdowski nicht: Zwar würde sie diese Stimmen „hören“, doch interessiere sie sich auch für die jungen Leute, „die sich bisher nicht artikuliert haben“. Gerade auf solche Menschen zuzugehen sei Grundlage jeder Sozialpolitik, sagt sie, während um sie herum Jugendliche murren.
Seltener sind da Momente der Einigkeit. Kai Kersten vom Archiv-Trägerverein lobt zumindest, dass Magdowski schon jetzt das Problem anspricht, wie das Haus überleben soll, wenn gegenüber in der Speicherstadt teurer Wohnraum entstanden ist. „Es ist klar, dass wir da Kompromisse finden müssen – dazu sind wir bereit“, so Kersten. Auch das Anliegen der CDU-Politikerin, zukünftig mögliche Jugend-Areale nicht mehr ersatzlos an Investoren zu verkaufen, bringt ihr Zustimmung – auch wenn sie nicht direkt für solche Entscheidungen zuständig ist.
Unkommentiert lässt Magdowski dagegen die Warnungen von Jugendlichen stehen, die Stadtpolitik möge sich beim Thema Jugendkultur mit der Lösungssuche beeilen. „Es würde eine große Depression und Aggression auslösen, wenn Freiland nicht kommt“, sagt etwa Achim Trautvetter vom Spartacus-Verein. Im Film vor der Diskussion ist allerdings das stärkere Argument für Eile zu hören, von Grete: „Die Politiker merken nicht, dass ohne einen Ort wie den Spartacus bei uns die Lust vergeht, noch Kultur zu machen.“
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