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Ibrahimovic für Arme. Bayers Torhüter Bernd Leno tritt nach dem 0:4 eine Wasserflasche durch die Luft.

© dpa

Sport: Die Nacht der leeren Flaschen

Leverkusen ist in der Champions League mit 0:4 gescheitert

Leverkusen - Es gab keinen Aufschrei der Empörung, keine derben Worte der Enttäuschung. Stattdessen wehte leise Resignation durch die Katakomben der Leverkusener Arena, als Spieler, Trainer und Sportchef wieder einmal eine Erklärung danach suchten, warum sich der Bundesliga-Spitzenklub Bayer Leverkusen gegen internationale Spitzenmannschaft regelmäßig Abreibungen abholt. 1:7 vor zwei Jahren in Barcelona, 0:5 im November 2013 daheim gegen Manchester United – und nun das 0:4 gegen Paris St. Germain.

Angesichts solcher Ergebnisse bei ihren alljährlichen Champions-League-Kampagnen war die Hilflosigkeit am Dienstagabend aus jeder Äußerung herauszuhören. Bayer wird von den Schwergewichten der Szene immer wieder überrollt und zerzaust, auch von dem mit katarischen Millionen aufgepeppten Französischen Meister und Tabellenführer der Ligue 1. Dessen Superstar Zlatan Ibrahimovic hatte ein Elfmetertor und einen Gewaltschuss mit Links unter die Latte zum Pariser Triumph im Achtelfinalhinspiel beigesteuert. Hinterher staunte er fast ein wenig über die Freiräume, die ihm und den anderen Torschützen Matuidi und Cabaye gewährt worden waren. „Wir hatten jede Menge Platz zum Kombinieren“, sagte der 1,95 Meter lange Schwede, „nach dem frühen 1:0 konnten wir unser Ding durchziehen.“ Und zwar derart ungestört, dass der 32 Jahre alte Exzentriker zwischendurch auch einmal herzhaft gähnen konnte – so wenig Adrenalin hatte ihn dieses ungleiche Duell gekostet. Leverkusen, das war nur eine nette Stippvisite zwischendurch, von der sich der Ibrahimovic kurz vor Mitternacht in blauer Strickjacke, weißem Hemd und schwarzer Krawatte freundlich lächelnd verabschiedete.

Bayer aber fiel schon vor dem aussichtslosen Rückspiel wieder einmal durch ein Examen bei dem Versuch, auch gegen ein europäisches Spitzentream zu bestehen. „Leverkusen hat sich seinem Schicksal ergeben“, sagte Michael Ballack, ein ehemalige sportliche Protagonist eines Klubs, der längst nicht mehr den Glanz früherer Zeiten verströmt. Mit Ballack scheiterte „Vizekusen“ zwar auch regelmäßig am Ziel – aber immerhin auf hohem Niveau. Die Dienstagsklatsche aber wurde eher wie ein dumpfer Schlag empfunden, mit dem viele irgendwie gerechnet zu haben schienen. Sami Hyypiä bemühte sich gar nicht erst, das Erlebte zu beschönigen. „Heute konnte man einen Klassenunterschied sehen“, sagte Bayers Trainer. Nach sechs Niederlagen in acht Pflichtspielen wusste er sich nur einen Rat: „Ich muss viele Psychologen einladen. Wir müssen mental stark sein – wie ein Boxer, der nach einem Niederschlag wieder aufsteht.“

Da wird er viel zu tun haben. Etwa bei Stefan Reinartz, der mit seiner gequälten Mimik die Stimmung im Team treffend wiedergab. „Es war wie bei Sisyphos“, sagte der Mittelfeldspieler. „Du rollst den Stein das ganze Jahr hoch in 34 Bundesligaspielen und sechs Champions-League-Gruppenspielen – und wenn du den Stein dann halbwegs oben hast, schaffst du es auch, ihn selbst wieder runterzukegeln.“ Der Abend, der keinen Raum mehr für Illusionen ließ, kam Reinartz „wie ein Déjà-vu-Erlebnis“ vor.

Die Wehrhaftigkeit des Bayer-Kollektivs äußerte sich dazu noch an falscher Stelle, als Emir Spahic nach zwei plumpen Fouls die Gelb-Rot vorgehalten bekam und seine Mannschaft zusätzlich in die Bredouille brachte. „Die Mannschaft hatte nach dem 0:2 nicht mehr die mentale Kraft, um daran zu glauben, dass sie die Dinge noch mal drehen kann“, sagte Reinartz. Leverkusen wirkte gegen PSG von der ersten Minute an innerlich ausgepowert und psychisch angeknackst, nachdem ihr die Pariser von vornherein wie Fußballmonster vorgekommen waren. „Man läuft ein bisschen hin und her – wie die Hasen“, sagte Reinartz und schickte hinterher: „Wir müssen irgendwie wieder bei Null starten.“ Damit gab er einen tiefen Einblick in die akute Befindlichkeit eines angeknockten und am Dienstag zu Boden gestreckten Teams, das den Schlüssel zum eigenen Spiel verloren zu haben schien.

„Wir stoßen an unser natürliches Limit, wirtschaftlich und auch in der Qualität“, sagte Sportchef Rudi Völler. „Das Einzige, was uns jetzt noch bleibt, ist, wiederaufzustehen.“ Wie, wird am Samstag zu sehen sein, wenn sich Bayer beim VfL Wolfsburg, dem Mitkonkurrenten um einen Platz in der kommenden Champions-League-Runde, präsentiert. Roland Zorn

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