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Landeshauptstadt: Die Neuen in der WG

Geoinformationen aus der Wilhelm-Galerie: Infoterra, Delphi IMM und RSS beziehen Räume

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Staaten oder Städte können Kunden sein. Aber auch Einzelpersonen – mit der nötigen Kaufkraft. Mareike Döpke, Sprecherin der Firma Infoterra, erklärt: Genügt ein Satellitenbild aus dem Archiv, könnten 1000 Euro reichen. Muss es in wenigen Stunden ein aktuelles Bild vom eigenen Garten sein, werden für die neudeutsch so genannte „rapid Response“ (schnelle Antwort) leicht 15 000 Euro fällig. Basis der wirtschaftlichen Aktivitäten der Infoterra GmbH ist der 2007 in Baikonur per Rakete ins All gestartete Satellit TerraSar X, der auf einer polaren Umlaufbahn in zweieinhalb Tagen 90 Prozent der Erdoberfläche überfliegt.

Die hochauflösenden, wolkenunabhängigen Radarbilder von TerraSar X brachte für die Potsdamer Geoinformationswirtschaft einen gewaltigen Schub: Infoterra, eine Tochter des Unternehmens EADS Astrium, erhöhte die Zahl seiner Potsdamer Mitarbeiterschaft von 15 auf 55. Der dadurch notwendig gewordene Firmenumzug vom Potsdam Centrum für Technologie (pct) an der Kirschallee in die Wilhelmgalerie wurde gestern offiziell gefeiert. Mit in die Stadtmitte zogen die Firmen Delphi IMM GmbH und Remote Sensing Solutions GmbH (RSS). Zusammen beschäftigen die drei Firmen in der Wilhelmgalerie – „wir nennen das WG“, so Infoterra-Chef Jörg Herrmann – etwa 90 Mitarbeiter. „Ihr Erfolg ist unser Erfolg“, sagte Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU). Und in der Tat würdigte RSS-Chef Prof. Florian Siegert die Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB), die in der Zeit eines Engpasses sehr geholfen habe, als sich der Start von TerraSar X verzögerte.

Potsdams Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) sieht in der Ansiedlung von Infoterra, Delphi IMM und RSS in der Wilhelmgalerie einen Ausdruck der Einmaligkeit des Geoinformations–Clusters Berlin-Brandenburg. Während Exner sagte, nirgendwo in Deutschland gebe es mehr Firmen in dieser Sparte, raunte es in der Gästerunde, dass dies womöglich für die ganze Welt gilt. Exner verwies auf die große Wissenschaftsgeschichte Potsdams, er nannte den Namen des Potsdamer Forschers Friedrich Robert Helmert, Begründer mathematischer und physikalischer Theorien der modernen Geodäsie, der Wissenschaft von der Ausmessung und Abbildung der Erdoberfläche.

Wirtschaftliche Grundlage für den Boom bei Infoterra sind nach Auskunft von Geschäftsführer Herrmann zwei Großaufträge zur Auswertung von Geodaten – einer von der Europäischen Umweltagentur und einer vom Bundeswehr- Beschaffungsamt, bei dem es sich um ein internationales Projekt zur Tilgung der letzten weißen Flecken auf den Landkarten der Welt geht, beispielsweise in Afrika.

Zu den neuen „WG-Bewohnern“ gehört die RSS GmbH von Prof. Siegert, die bereits für Schlagzeilen sorgte: Biologe Siegert und seine Mitarbeiter werten insbesondere satellitengestützte Daten für die Forst- und Landwirtschaft aus. Zu den Fragestellungen, die sich RSS GmbH widmet, gehört etwa auch, für den World Wide Fund For Nature (WWF) den Lebensraum des Sumatra-Tigers zu bestimmen. Es waren aber auch RSS-Mitarbeiter, die berechneten, dass der Anbau von Palmen zur Ölgewinnung nur dem Anschein nach ökologisch ist. In Wahrheit werde durch Palmenöl-Gewinnung dreißig Mal mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre abgegeben als eingespart – durch den Raubbau am Regenwald und durch Oxidationen im Torfboden, auf dem die Ölpalmen angebaut werden.

Man muss immer fragen, erklärt Prof. Siegert, „was ist der Preis?“ Mit Blick auf den C02-Emissionshandel erklärte er, global denken bedeute, zu fragen, wie die Auswirkungen auf der anderen Seite der Erde sein werden. Guido Berg

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