Militär und Gesellschaft: „Die neuen Kriege sind die alten“
Der Potsdamer Militärhistoriker Bernhard R. Kroener geht in den Ruhestand. Ein Gespräch über die deformierende Kraft der Kriege, asymmetrische Kriegführung, den „Tag von Potsdam“ und seine Pläne für die Zukunft
Stand:
Herr Kroener, Sie sind Militärhistoriker. Ihre Zunft wird schnell des Militarismus verdächtigt. Es gab auch Ihnen gegenüber Anfeindungen. Hat Sie das geschmerzt?
Nein. Ich habe in der 68er Zeit studiert. Damals habe ich erlebt, mit welcher Gewaltsamkeit Positionen vertreten wurden. Kein Vergleich zu dem, was ich in Potsdam zu hören bekam: Das waren verständliche, nachvollziehbare und zum Teil auch auf Unkenntnis beruhende Vorstellungen, für die ich teilweise auch Verständnis hatte. Ich habe auch immer klarstellen können, dass wir Geisteswissenschaftler keine Kriegsverherrlichung betreiben.
Sondern?
Dass es uns um eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle organisierter Gewalt in der neueren Geschichte geht: Welche Gewaltkulturen werden organisiert, welche Rituale entwickeln sich, inwiefern wird der Mensch durch kriegerische Gewaltsamkeit und militärische Ausbildung geprägt? Gewalt und Leid im Krieg, auch der Soldaten, die ja nicht als solche geboren werden, die formiert und deformiert werden, und in diesem Zustand dann wieder in eine zivile Lebenswelt zurückkehren müssen und damit die entsprechenden Probleme haben – das sind einige unserer Fragen.
Sie haben Militär, Staat und Gesellschaft im 20. Jahrhundert erforscht. Ist das Zeitalter der Kriege, wie wir sie bisher kennen, vorbei?
Die neuen Kriege sind die alten. Das, was wir heute an asymmetrischer Kriegführung und Low-Intensity-Conflicts erleben, ist das, was wir aus dem 15. bis 17. Jahrhundert kennen. Das Zeitalter der allgemeinen Wehrpflicht, der stehenden Heere und der organisierten Massenkriege war nur ein Wimpernschlag in der Geschichte. Heute erleben wir immer wieder Gewaltformen, die an die Kriege der Frühen Neuzeit erinnern. So etwa hinsichtlich der Privatisierung bestimmter militärischer Bereiche wie der Logistik.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
Bernhard R. Kroener (65) studierte und promovierte an den Universitäten Bonn und Paris. Seit 1978 war er am Militärgeschichtlichen Forschungsamt tätig. Kroener ist seit 1997 Professor für Militärgeschichte an der Universität Potsdam. Seine Schwerpunkte sind das Verhältnis von Militär und Gesellschaft der Frühen Neuzeit, die Preußische Sozialgeschichte des Militärs im 18. Jahrhundert, die Rolle des Militärs in Politik und Gesellschaft des 19. Jahrhunderts sowie Bevölkerung und Krieg im 20. Jahrhundert.
Am 14. März wird Kroener offiziell von der Uni Potsdam verabschiedet. Zugleich findet eine Tagung zur Bedeutung von „Militär“ in der Frühen Neuzeit statt. Kix
Lesen Sie das ganze Interview in der MITTWOCHAUSGABE der POTSDAMER NEUESTEN NACHRICHTEN
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