Landeshauptstadt: Die perfekte Idylle
Seit zwei Jahren wohnen die Kunkels in einem umgebauten Pferdestall in der Jägervorstadt. Es ist ruhig dort, sehr grün und trotzdem ist alles irgendwie in der Nähe. Ein idealer Familienort.
Stand:
Eigentlich ist es das perfekte Klischee. Die Wohnung hell und freundlich, Maisonette, in einem früheren Pferdestall. Die Eltern in gutem Lohn und Brot, Tourismusbranche. Das Kind goldblond, pausbäckig, ein Sonnenschein. Im Garten hat es einen eigenen kleinen Sandkasten, ein aufblasbares Planschbecken bietet Spaß bei sommerlicher Hitze.
So – und das soll nicht despektierlich klingen – stellt man sich die meisten Familien in den von Gründerzeithäusern geprägten Vorstädten Potsdams vor. Und so passt die Familie Kunkel einfach wunderbar ins Bild.
Es ist Freitagmorgen in der Jägervorstadt. Ralf Kunkel, seine Frau Birgit und Söhnchen Maximilian sitzen auf der Terrasse vor dem Haus beim Frühstück. Die Vögel zwitschern, die große Wiese duftet satt nach Sommer. Die Teller sind gefüllt mit Müsli und frischen Früchten. Die Szene wirkt wie aus einer Werbung für Landkaffee. „Auto“, sagt Maxi und zeigt auf ein weißes Fahrzeug. Ein paar Schüler des Oberstufenzentrums in der Garde-Ulanen-Kaserne schlendern über die Wiese. „Wenn die Schüler kommen, ist es mal etwas lauter, aber sonst ist es schon ein Idyll hier“, sagt Birgit Kunkel und schenkt Kaffee nach. Das morgendliche, gemeinsame Frühstück ist gesetzt – auch wenn Birgit Kunkel eigentlich länger schlafen könnte. „Die gemeinsame Zeit nehmen wir uns“, sagt sie.
Seit zwei Jahren wohnt die Familie hier. Überhaupt, 2008. Ein aufregendes Jahr war das für die beiden. Im Jahr davor hatten sie sich kennengelernt, auf der Germany Travel Mart, einer Reisemesse in Berlin. Birgit, damals noch Freitag, Pressesprecherin bei der Tourismus Marketing Brandenburg (TMB), und Ralf Kunkel, Sprecher der Berliner Flughafengesellschaft. Es passte einfach. „Und dann hab’ ich ihn nach Potsdam gelockt“, sagt Birgit Kunkel und lacht verschmitzt. Viel Überzeugungsarbeit musste sie bei dem gebürtigen Bayern nicht leisten. „Ich fand die Idee gut, ein bisschen grüner und ruhiger zu wohnen“, sagt Ralf Kunkel. Im Mai 2008 ziehen beide in die umgebauten Pferdeställe im Voltaireweg, zwei Wochen später wird Hochzeit gefeiert, im August kommt Maximilian auf die Welt. „2008 war Stress, aber positiver Stress“, sagt Ralf Kunkel und lacht. Nun haben sie sich eingelebt. „Die Lage ist wirklich toll“, schwärmt Ralf Kunkel, „mitten in der Stadt und trotzdem im Grünen“.
Dieses Grün ist es, in dem Mutter Birgit und Maximilian bei schönem Wetter die meiste Zeit verbringen. „Wir sind viel in den Parks unterwegs“, sagt sie. In den historischen ebenso wie im Volkspark. Liegt ja alles vor der Tür. Der Wasserspielplatz im Volkspark ist ein beliebtes Ziel, auch die anderen Spielplätze der Umgebung. Die „Mausefalle“ etwa, die grüne Insel hinter dem Hotel „Am Jägertor“. Oder der Spielplatz an der Ruinenbergkaserne. Im Winter geht’s oft in die Biosphäre. Eine Jahreskarte haben sie gekauft. „Maxi liebt Fische“, sagt Birgit Kunkel lächelnd. Kein Wunder also, dass auch das Aquarium im Berliner Zoo oft auf der Ausflugsliste steht.
Seit knapp zwei Jahren ist Birgit Kunkel jetzt im Mutterschutz. Im Herbst wird sie wieder arbeiten gehen, bei der TMB. „Da freue ich mich schon drauf.“ Den Kontakt hat sie die ganze Zeit gepflegt, zwischendurch Broschürentexte für ihren Chef Dieter Hütte geschrieben, sich auf dem Laufenden gehalten. Maxi soll ab September in die katholische Kita „St. Peter und Paul“ am Luisenplatz gehen. Die Familie selbst ist ökumenisch – der Vater Protestant, Mutter und Sohn Katholiken. Einen Platz im Kindergarten zu bekommen, war kein Problem. „Eigentlich hatten wir und das schwieriger vorgestellt.“
Inzwischen ist es später Vormittag, Ralf Kunkel schwitzt in seinem Berliner Büro. Für Maxi hat sich Birgit Kunkel etwas ganz Besonderes ausgedacht – eine Tour mit dem Wassertaxi von der Meierei über Sacrow und wieder zurück. Für den Jungen ist es die erste Bootsfahrt überhaupt und er hätte sie fast verpasst. Das Schiff legt gerade ab, als Birgit Kunkel mit dem Kinderwagen auf den Steg rennt. „Halt“, ruft sie – und der Schiffsführer ist freundlich, er wendet und legt abermals an. Angesichts des Aufwandes könnte sich daran mancher Busfahrer ein Beispiel nehmen.
Das Erlebnis Wasser hallt bei dem Jungen lange nach. Noch vor dem Mittagsschläfchen ruft er vergnügt „Butt, Butt!“. Ein pflegeleichter Sohn, bescheinigt ihm die Mutter. Sehr „bewegungsfreudig“, doch dafür schläft er auch brav.
Das freitagnachmittägliche Ritual heißt dann Wochenendeinkauf. „Damit wir den Samstag freihaben“, erklärt Birgit Kunkel. Auf den Tisch kommen gesunde Sachen: Säfte, viel Obst, Gemüse. Vorzugsweise Bio. Die Tetrapaks mit Apfelsaft haben für den Moment die Spielzeug-Busse, -autos und -flugzeuge in Maxis Gunst abgehängt. Er versucht, den Schraubverschluss aufzudrehen. „Manchmal schafft er das sogar“, sagt die Mutter stolz.
Die Nachmittagssonne brennt noch immer heiß, das Planschbecken soll noch zu seinem verdienten Einsatz kommen. Es ist still draußen, die Nachbarn sind noch arbeiten. Das Verhältnis untereinander ist gut, es gibt noch mehr Kinder, die mit Maxi spielen. Manchmal wird zusammen gegrillt, wenn jemand in Urlaub fährt, sieht man nach dem rechten, leert den Briefkasten, gießt die Blumen. Und man lässt sich in Ruhe. „Ansonsten macht jeder seins, was auch ganz schön ist“, sagt Birgit Kunkel.
Der Kiez ist bürgerlich, doch im Gegensatz zur Berliner oder Nauener Vorstadt hat die Jägervorstadt keine Bürgerinitiative. Probleme? Birgit Kunkel muss überlegen. „Ich fände es schön, wenn es hier einen Bäcker gebe“, sagt sie dann. In den umliegenden früheren Kasernengebäuden lebten so viele Menschen, doch für frische Schrippen müsse man zu Rewe in die Pappelallee fahren oder in die Innenstadt. „Mehr Papierkörbe“ wünscht sie sich auch für die Wiese vor ihrem Haus. Da stehen zwar Bänke, aber keine Abfallbehälter. Was dazu führt, dass die Schüler des Oberstufenzentrums ihren Müll gern liegenlassen. Und noch etwas fällt Birgit Kunkel ein: der Verkehr auf der Jägerallee. Bis Maxi Fahrrad fahren lernt hofft sie auf einen sicheren Radweg. „Wenn man sieht, wie da die Lkws langbrausen“, sagt sie. Doch diese Schwierigkeiten sind noch fern. So wie das Schulproblem. Bis Maxi so weit ist, wird auch die neue Grundschule im Bornstedter Feld längst fertig sein.
Inzwischen naht der Abend und damit die Rückkehr von Ralf Kunkel. Als Flughafensprecher hat er einiges zu tun und nicht jede Nachricht, die er zum Großprojekt BBI in Schönefeld verkünden muss, macht Freude. Unregelmäßige Feierabendzeiten machen ein gemeinsames Abendbrot für die Familie nicht immer möglich. „Meistens koche ich vor“, sagt Birgit Kunkel. „Sonst wird es einfach zu spät.“
Den lauen Sommerabend werden die beiden genießen, vielleicht mal wieder eine alte Pink-Floyd-Schallplatte auflegen. Während Maxi schläft und vermutlich vom „Butt“ träumt. Das Wochenende ist der Familie gewidmet. Der Sonntagabend dem Fußball. Sie wollen Freunde einladen und sie werden Spaß haben, weil Deutschland die Fußballwelt mit vier Toren gegen Australien verzaubern und beeindrucken wird. Ein ganz normales Familienleben in einer ganz normalen bürgerlichen Umgebung. Es repräsentiert perfekt alles, was die vielen Zuzügler an Potsdam lieben.
Für die Kunkels gibt es keinen Grund wegzuziehen. Ein Eigenheim vielleicht? „Das müsste schon etwas ganz Besonderes sein“, sagen beide. Doch ihr Haus hat genug Besonderheiten. Zum Beispiel die Inschriften in den gelben Ziegelsteinen. Sie stammen aus der Zeit, als die Russen das Gebäude als Kaserne nutzten. „Manchmal frage ich mich“, sagt Birgit Kunkel, „was die heute sagen würden, wenn sie das Haus jetzt sähen“.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: