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Von Susanna Maier: Die perfekte Lösung liegt so nahe

Exportmodell LER: Absolventen finden keinen Referendariatsplatz in Brandenburg und wandern ab

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Auf den ersten Blick sprechen viele Gründe gegen das Lügen. Doch denkt man eine Weile darüber nach, sind die Fragen nach dem „Warum“ gar nicht mehr so einfach zu beantworten. So geht es den Studierenden im Fach „Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde“ (LER) an der Universität Potsdam öfter, wenn sie über Gewissensfragen diskutieren. „Man sieht so ein Thema plötzlich mit ganz anderen Augen“, sagt Studentin Helvi Koch.

Dass hier moralische, interkulturelle und religiöse Fragen eng miteinander verwoben werden, macht den noch jungen Lehramts-Studiengang so vielfältig. „Wir haben damit ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland“, sagt Ralf Stoecker, Direktor des Instituts für LER. Über die „Pro Reli“-Debatte in Berlin war der Religionswissenschaftler deshalb auch sehr erstaunt: „Die perfekte Lösung liegt nur eine viertel Stunde entfernt.“ Das klingt bei ihm keineswegs eitel, sondern nur logisch. Es sei gerade für die nächsten Generationen äußerst wichtig, die Bedeutung verschiedener Religionen und Kulturen für das persönliche Leben verstehen zu lernen. „Die gesellschaftlichen Erfordernisse haben sich längst geändert“, sagt Stoecker. Besonders in Berlin müsse der interkulturelle Dialog deshalb noch stärker angeregt werden. Doch auch in anderen Bundesländern könne das Fach gut angenommen werden.

Dass LER inzwischen als Export-Modell funktioniert, wäre vor einigen Jahren noch kaum vorstellbar gewesen. Von den schwierigen Anfängen berichtet die Fachdidaktikerin für LER, Eva-Maria Kenngott. Um die Wende herum habe sich das damals schulkritische Projekt entwickelt. Aufgrund seines religionskundlichen Anteils sei das Fach zu Beginn sehr umstritten gewesen. „Es sollte keine weltanschauliche Bevormundung mehr geben“, erinnert sich Eva-Maria Kengott. Andererseits sei damals schon klar gewesen, dass Fragen der Lebensführung nicht für immer aus der Schule herauszuhalten seien. Nach einigen heftigen Debatten wurde schließlich ein solides berufsbegleitendes Studium für Lehrer eingerichtet. Im Wintersemester 2003/04 konnte dann das Fach als grundständiger Studiengang an der Universität eingeführt werden.

Inzwischen ist LER zu einem ordentlichen Schulfach in Brandenburg geworden. Offensichtlich mit Erfolg. Nur fünf Prozent der Bevölkerung in Brandenburg wählen das Fach ab, obwohl 15 Prozent konfessionell gebunden sind, sagt der Religionswissenschaftler Johann Evangelist Hafner. Und auch an der Universität sei das Fach mehr als gefragt. Auf 50 Plätze würden sich schon mal 200 Studierende bewerben, berichtet er. Wegen der Vielfalt aus religiösen, moralischen und philosophischen Themen hat sich auch die Studentin Elisabeth Krüger für den Studiengang entschieden. Bestimmte Probleme wie Tierethik oder Sterbehilfe könne man eben nur hier ansprechen. Und es gibt für sie noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: „Die Dozenten kennen uns und nennen uns sogar beim Namen.“

Das attraktive Angebot des Studiengangs hat jedoch auch eine Schattenseite. In Brandenburg, dem Land also, in dem LER an den Schulen unterrichtet wird, gibt es zurzeit nicht genügend Referendariatsplätze für alle Studierenden. „Wir befürchten, dass unsere Absolventen abwandern werden“, sagt Ralf Stoecker. In anderen Bundesländern können sie auch Fächer wie Ethik unterrichten.

Wenn sie die Wahl hätte, würde Elisabeth Krüger, wie viele ihrer Kommilitonen, nach dem Studium gern in Brandenburg arbeiten. „Wir können aber nicht abwarten, bis wir hier irgendwann mal eine Lücke füllen dürfen.“

Susanna Maier

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