Landeshauptstadt: Die realisierte Vision
Fontane-Archiv, Stiftung und Literaturbüro öffnen am Sonntag die Villa Quandt / Briefe an Theo erworben
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Nauener Vorstadt - Sie war bereits auf der Suche nach einem neuen Domizil für das Fontane-Archiv, das sie leitet. Dennoch empfand es Hanna Delf von Wolzogen vor zwei Jahren als eine „kaum realisierbare Vision“, als Hans Joachim Giersberg ihr vorschlug: „Warum nicht in die Villa Quandt?“ Das Haus in der Großen Weinmeisterstraße am Fuße des Pfingstberges war eine Ruine, eine Sanierung erschien viel zu teuer. Und dennoch hat der ehemalige Schlösserchef Giersberg den Zug auf die richtigen Schienen gestellt, denn schnell war mit Hermann Reemtsma und seiner Stiftung ein interessierter Sponsor gefunden. Schnell gelang es auch, das Land Brandenburg ins Boot zu holen. „Die Idee hat alle gleich überzeugt“, so die Archiv-Chefin.
Gestern nun konnte Hanna Delf von Wolzogen gemeinsam mit der Kulturministerin Johanna Wanka (CDU), mit Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Schlösserstiftung, sowie Jochen Münnich, Geschäftsführer der Reemtsma-Stiftung, und Hendrik Röder vom Literaturbüro das historische Weinberg-Haus der Öffentlichkeit in saniertem Zustand vorstellen. Am Sonntag dieser Woche, dem 23. September, wird das Haus ab 14 Uhr feierlich mit Lesungen und Führungen eingeweiht.
3,2 Millionen Euro wurden in der 14-monatigen Sanierungszeit verbaut. Die Summe teilen sich zu gleichen Hälften das Land Brandenburg und die Reemtsma-Stiftung. Genutzt wird das 1828 erstmals auf Lenné-Zeichnungen auftauchende Gebäude vom Fontane-Archiv, dem Brandenburgischen Literaturbüro und der Schlösserstiftung, die als Eigentümerin Räume der Villa Quandt für Veranstaltungen vermietet.
Dorgerloh zufolge ist die Sanierung der Villa Quandt ein Beispiel „für sinnvolle Konversion“. Nach 1945 wurde das Areal an der Weinbergstraße Teil des so genannten „KGB-Städtchens“. In unmittelbarer Nähe der Villa Quandt betrieb der sowjetische Geheimdienst ein Untersuchungsgefängnis, die heute in der baulichen Konservierung befindliche Gedenkstätte „Leistikowstraße 1“. Im Sommer 2008 wird sie der Öffentlichkeit übergeben, informierte Ministerin Wanka.
Die Schlösserstiftung preist die Villa Quandt als ein „Neues Zentrum für Literatur in Potsdam“. Hier werde nicht „der militärischen sondern der literarischen Tradition Preußens“ gedacht, erklärte Dorgerloh. Im Mittelpunkt dessen steht der Schriftsteller Theodor Fontane (1819-1898), von dem das nach ihm benannte Archiv „mehr als 20 000 Einheiten handschriftlichen Materials“ verwahrt und wissenschaftlich auswertet, so Hanna Delf von Wolzogen. Aufbewahrt werden die autografen Kostbarkeiten aus der Feder Fontanes in einem speziellen „Verwahrgelass“ im Keller der Villa Quandt. Dabei handelt es sich um einen Tresor, in dem konstant eine Temperatur von 18 Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent herrscht – beste Bedingungen für die Papiere. Wie Stiftungs-Architekt Demir Arslantepe erläuterte, ist die Decke des Tresors wasserundurchlässig – selbst wenn das Gebäude brennt und mit Wasser gelöscht wird, bleiben die Archivalien trocken. Brennt es im Tresor selbst, greift eine Löschgas-Anlage ein: reiner Stickstoff wird in das künftige Heiligtum der Fontane-Forschung geleitet und erstickt die Flammen. Zutritt hat nur, wer in die noch zu installierende „Identity-Anlage“ die richtige Code-Kombination eintippt.
Hanna Delf von Wolzogen und ihre Mitarbeiter sind stets bemüht, den Bestand an Originalmanuskripten zu mehren. Im Frühjahr dieses Jahres bot ihr Archiv mit, als die bislang verschollen geglaubte erste Niederschrift des Gedichtes „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ versteigert wurde. „Wir haben es leider nicht bekommen“, bedauert die Archivleiterin. An anderer Stelle war das Glück mit ihr: Wie sie den PNN gestern sagte, gelang der Kauf von 106 Briefen, die Theodor Fontane an seinen Sohn Theo schrieb. Im November werden sie erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt – natürlich am neuen Sitz des Archivs in der Villa Quandt.
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