Landeshauptstadt: Die Rufe vom Berg
Hedwig Zumpe verbringt ihr Freiwilliges Soziales Jahr in Togo. Ohne Strom – und mit fast vergessenen Arten der Kommunikation
Stand:
Kebo Dalavé, ein Dorf am Hang des Mont Agou in Togo ist für ein Jahr mein Zuhause geworden. Dalavé ist nicht an das Elektrizitätsnetz angeschlossen, in unserer Gesellschaft in Deutschland würde daraus ein Kommunikationsproblem entstehen: kein Computer, kein Internet, kein Facebook, kein Handy. Nein, ich lebe hier nicht abgeschieden von der Außenwelt, nur hat sich meine Art der Kommunikation verändert.
Die lokale Kommunikation läuft aufgrund der geringen Größe der Dörfer sehr gut ohne Elektrizität. Viele Familienmitglieder wohnen nah beieinander, sodass man bei Neuigkeiten schnell auf einen kleinen Plausch vorbeischauen kann, einfach das laute Stimmorgan einsetzt oder eines der Kinder schickt.
Auch ich werde bei einem Spaziergang durchs Dorf immer gerne auf Ewe angesprochen, die hier gängige Sprache. Ich beherrsche diese Sprache außer ein paar Floskeln nicht, doch das ist kein großes Hindernis für meine Gesprächspartner, sie geben mir die Antworten vor und ich versuche sie dann bestmöglich nachzusprechen, jedoch ohne den Inhalt der Konversation verfolgen zu können, sodass wir viel zu lachen haben. Bei längeren Gesprächen wird dann glücklicherweise Französisch geredet, die Amtssprache Togos, die ab dem Kindergarten gelehrt wird. Attraktionen wie meine eher unfreiwillige Tanzeinlage bei einer Beerdigung verbreiten sich per Mundpropaganda in Windeseile auch außerhalb des eigenen Dorfes, sodass meine Mitfreiwillige aus dem Nachbardorf keine 24 Stunden später bereits bestens Bescheid wusste.
Offizielle Angelegenheiten, die der Dorfchef zu verkünden hat, werden durch seinen Assistenten übernommen. Dieser steigt auf einen hohen Punkt im Dorf, schlägt zweimal die Glocke und ruft die Neuigkeiten dann über das Dorf.
Handys sind auch hier fast täglich im Gebrauch. Gegen eine geringe Summe kann man den Akku an einer bestimmten Stelle mittels Solaranlage aufladen lassen und da erst neulich eine Antenne auf dem Berg errichtet wurde, ist der Empfang auch kein Problem. Wir Freiwilligen kommunizieren – wie auch in Deutschland – viel über SMS. Die Togoer hingegen sind häufig keine Schreibfreunde, es wird bei jeder kleinen Frage schnell angerufen.
Meine Kommunikationsmöglichkeiten nach Deutschland sind in der Theorie gar nicht schlecht. Ich verbringe viele meiner Wochenenden in Kpalimé, der nächstgelegenen Stadt. Dort befindet sich auch das Büro meiner Organisation Astovat mit WLAN. Jedoch sorgen häufige Stromausfälle, Probleme mit der Internetverbindung und deren Überlastung – da natürlich alle Freiwilligen kurz ihre Nachrichten lesen wollen – dafür, dass ich mich meist gegen diese Möglichkeit entscheide. Ein funktionierendes Internet-Café zu finden, ist hingegen schwierig und auch dieses ist nicht von Stromausfällen ausgeschlossen. Einige Wochen war ich zudem computerlos, da mein Bildschirm, wahrscheinlich durch den Wechselstrom, den Geist aufgegeben hat.
Häufig entscheide ich mich deswegen für den Postweg. Der ist sehr viel zuverlässiger als die Telefonverbindung, die launisch und teuer ist. SMS nach Deutschland kommen in den seltensten Fällen an. Außerdem habe ich in meinem Dorf viel Zeit, ausführliche Briefe zu schreiben. Jedoch ist nie ganz klar, wann ich dazu komme, sie bei einer Post abzugeben. Dort kommt es vor, dass es keine passenden Briefmarken gibt, sodass man einen Aufpreis zur nächsthöheren Marke zahlt oder das gesamte Couvert von acht Briefmarken zugekleistert wird. Auch Umschläge sind häufig nicht aufzutreiben, von Postkarten ganz zu schweigen. Während Post aus Deutschland meist nach zehn Tagen Kpalimé erreicht, ist völlig unklar, wie lange meine Briefe nach Deutschland brauchen. So kam es schon vor, dass eine erwähnte Malaria für mich bereits lange abgeschlossen ist, als die Information meine Familie oder Freunde in Deutschland erreicht und ich einen erschrockenen Anruf erhielt.
An dieser Stelle berichten regelmäßig Schüler und Studenten von ihrem Leben im Ausland. Die 20-jährige Hedwig Zumpe absolvierte im Sommer ihr Abitur an der Lenné-Gesamtschule
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