Hat Satan eine Handy-Nummer oder gar eine Web-Adresse? Solche Fragen mögen wohl manch einen Studierenden beschäftigt haben, der am Mittwoch zu der Ringvorlesung „Lässt der Teufel mit sich reden?“ von Prof. Johann Ev. Hafner an die Uni kam. Es wurde voll, sicherlich wesentlich voller als bei einer Vorlesung zum Altertum oder zur Computerlinguistik. So voll, dass man in den großen Chemiehörsaal ausweichen musste.
Hier bewahrheitete sich dann, was Religionswissenschaftler Hafner noch ausführen sollte. Der Teufel erscheint nicht in Form einer bestimmten Person – und manchmal steckt er auch im Detail. Zwischen Malzbierflaschen, Hebräischbücher und flimmernde Laptops hindurch versuchten die Studierenden in den hinteren Reihen des Hörsaals die Worte Hafners zu entschlüsseln, meist ohne Erfolg. Bis ein Mikrofon nebst Lautsprecher organisiert war. Der Teufel hatte ein Einsehen, und das Wort kam klar und deutlich über die Studierenden.
Die Ringvorlesung über die „Kommunikation Satans“ will nicht der kunsthistorischen Gestalt des Teufels auf den Leibe rücken oder das ethische Problem des Bösen beleuchten. Es geht um die Frage, wie sich das Böse mitteilt. Hafner setzt ganz am Anfang an, beim Sündenfall, dem Bösen als Schlange, die Eva dazu verführt, mit Gott zu brechen. Wobei Hafner letztlich die Wissenschaft selbst als Sündenfall outet. Doch dazu später.
Erst einmal zurück ins Paradies: Die Schlange war listiger als alle Tiere. Sie sprach zu Eva: „Ja, sollte Gott gesagt haben: ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?“ Hier setzt es an, das Böse, ganz unspektakulär aber doch fundamental zersetzend. Eva will der Versuchung noch widerstehen, wiegelt ab, dass man schon alle Früchte esse, bis auf die von dem einen verbotenen Baum. Die Schlange: „An dem Tage, da ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“ Nun will es Eva doch wissen. Sie isst den Apfel, gibt auch Adam davon und ihnen gehen die Augen auf, sie sehen, dass sie nackt sind, die Erkenntnis kommt über sie.
Hafner zeigt ein Bild des Sündenfalls von Hugo van der Goes. Die Schlange geht hier nicht nur aufrecht, sie hat auch ein menschliches Antlitz. Sie spiegelt Eva ihr eigenes Gesicht vor. Religionswissenschaftler deuten dies so, dass die Schlange, also das Böse nicht von Außen kommt, sondern aus dem Inneren des Menschen, quasi als Alter Ego. Und die skeptische Frage der Schlange, ob denn Gott wirklich gesagt habe, dass man nicht von allen Bäumen essen soll, dieses Hinterfragen seiner Autorität, das eben sei der eigentliche Sündenfall und der Beginn aller Wissenschaft. Eva glaube Gott besser zu verstehen, sie kostet trotz besseren Wissens von dem Apfel. Hier werde Eva zur Theologin. „Über Gott zu reden, ohne mit ihm zu sprechen, das ist Religionswissenschaft“, so Hafner. So wie die Schlange Gott nachäfft, ist das Böse nicht die Verneinung Gottes, sondern eben seine Wiederholung.
In den hinteren Reihen des Hörsaals bleibt Gemurmel. Das muss erst einmal verstanden werden, zumal in der zweiten Semesterwoche, vielleicht sogar noch im ersten Semester. „Welches war Punkt vier?“, raunt eine junge Frau. Vielleicht gibt es den Text im Internet. Gibt es. Noch Fragen? Ja, welche Anforderungen für einen Schein bestehen? Hafner wirkt sichtlich enttäuscht. Die Frage lässt sich beantworten. Aber keine Fragen zum Inhalt? Doch, wie war das nun gleich mit der Wiederholung des Wirklichen? Der Professor antwortet dankbar: Der Sündenfall sei, dass der Mensch aus eigener Kraft durch den Biss in den Apfel zur Erkenntnis gelangen wollte. Das sei die Wiederholung dessen, was Gott ihm an Vernunft eigentlich schon zugetraut hatte. Sünde als Vertrauensverlust. Jan Kixmüller
Mittwochs 17-19 Uhr, Neues Palais Haus 9, Raum 112, wieder 7. November.
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