
© A. Klaer
Potsdam ohne Tourismus-Marketing: Die schwierige Suche nach einer Lösung
Nach der Pleite bei der Vergabe des Tourismusmarketings hat die Stadt keinen Rettungsplan. Zudem beginnt die Ursachenforschung. Ein Überblick.
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Einen Plan B gibt es noch nicht: Nachdem das Oberlandesgericht Berlin-Brandenburg endgültig den Vertrag für das Potsdamer Tourismusmarketing gekippt hat, wird im Rathaus nach einem Ausweg gesucht, um sich nicht noch mehr zu blamieren. „Wir arbeiten noch an der Bestandsaufnahme, wie es weitergehen soll. Jetzt geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit“, sagte Stadtsprecher Stefan Schulz am Mittwoch auf Nachfrage. Dabei hat die Stadt mit mehreren Problemen zu kämpfen. Die PNN geben einen Überblick.
Was ist passiert?
Das Gericht hat eine Entscheidung der brandenburgischen Vergabekammer bestätigt, wonach der seit Anfang des Jahres geltende Vertrag der Stadt zum Tourismusmarketing rechtswidrig zustande kam und daher unwirksam ist. Vertragspartner ist die landeseigene Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH (TMB), die Leistungen für 944 000 Euro erbringen sollte. Auslöser war die Beschwerde des einzigen Mitbewerbers um den Auftrag – die Hamburger GLC Glücksburg Consulting hatte sich wegen der Auftragsvergabe benachteiligt gefühlt. „Die Entscheidung des Gerichts bestätigt, dass formale Kriterien des Vergaberechts nicht eingehalten worden sind“, sagte Edith Seemann aus dem GLC-Vorstand auf Anfrage. Und: „Wir hoffen, dass es ab jetzt fair zugeht.“
Hintergrund: Im vergangenen November hatte das Rathaus überraschend mitgeteilt, dass der langjährige Partner TMB weiter das Tourismusmarketing übernehmen soll – eine Monate vorher angekündigte europaweite Ausschreibung für den Auftrag sei ergebnislos verlaufen. Die Vergabe habe sich als „komplex und zeitintensiv erwiesen“, so die Begründung. Daher wurde vor einer weiteren Ausschreibung zunächst ein freihändig vergebener Übergangsvertrag für 2015 vorgelegt, der eine deutliche Steigerung der Zuschüsse um mehr als 50 Prozent auf 944 000 Euro enthielt. Dem stimmten die Stadtverordneten im Dezember zu – trotz mannigfaltiger Kritik.
Wo lagen die Fehler?
Bei der Vergabe sind im Rathaus schwere Fehler gemacht worden. Das belegt die Entscheidung des Gerichts, die den PNN im Wortlaut vorliegt. Zuständig für das Verfahren war das Amt für Wirtschaftsförderung, die Aufsicht hatte der Fachbereichsleiter für Kommunikation und Beteiligung, Dieter Jetschmanegg (SPD).
Laut Gericht wurde die erwähnte, später zurückgezogene Ausschreibung für das Marketing erst Mitte Juli begonnen – es ging um eine Leistung, die fünf Monate später beginnen sollte. Die beiden einzigen Bewerber hätten fristgerecht zum 19. August einen Teilnahmeantrag eingereicht. Auf den Tag genau einen Monat später, am 19. September, sei die Stadtverwaltung zum Ergebnis gekommen, dass beide Bewerber als geeignet anzusehen seien.
Doch dann stellt das Gericht zum Verhalten der Stadt fest: „Zur Abgabe von Angeboten forderte die Auftraggeberin die Bewerber nicht auf.“ In der Folge habe die TMB allerdings drei Interimsangebote für 2015 unterbreitet. Dies habe die GLC bereits am 10. Dezember gerügt, die Stadt habe dies damals zurückgewiesen – mit der Begründung, „das Verfahren sei nicht aufgehoben“, jedoch habe sich „der Teilnahmewettbewerb infolge von Gremienbefassungen verzögert“. Zu letzterer Begründung stellt das Gericht nun fest, dies sei in den Akten der Stadt „nicht nachvollziehbar dokumentiert“. Im Gegenteil habe die Stadt laut Aktenlage nach dem 19. September schlicht nichts mehr veranlasst, „um dem Vergabeverfahren Fortgang zu geben“.
Schließlich habe die GLC am 18. Dezember noch einmal angefragt, wie denn das Vergabeverfahren weiterlaufen sollte. Nachdem es darauf laut Gericht keine Antwort vom Rathaus gab, wurde schließlich Mitte Januar die Vergabekammer angerufen – die die Unwirksamkeit des Vertrags zwischen Stadt und TMB feststellte. Im Hauptausschuss sagte Linke-Oppositionschef Hans-Jürgen Scharfenberg am Mittwochabend, die bundesweiten Schlagzeilen rund um den Vorgang seien „blanke Antiwerbung“ für Potsdam. Auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) räumte ein, das Ganze sei „suboptimal gelaufen“.
Wozu dient das Tourismus-Marketing?
Potsdam ist bekanntermaßen ein beliebtes Reiseziel, erst vor wenigen Wochen hatte das Rathaus einen neuen Besucherrekord gemeldet: Im vergangenen Jahr zählte die Landeshauptstadt 1 035 804 Übernachtungen, ein Plus von 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch diese Beliebtheit sei kein Selbstläufer, betonen Vertreter der Tourismuswirtschaft regelmäßig und verweisen auf die Wichtigkeit funktionierender touristischer Dienstleistungen – die seit mehr als zehn Jahren von der landeseigenen Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH erbracht werden. Unter anderem sagte der Chef des brandenburgischen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Olaf Lücke, am Mittwoch auf Anfrage: „Im Interesse der touristischen Leistungsanbieter muss es eine Lösung geben, wir stehen kurz vor Beginn der Saison.“
Fachbereichsleiter Jetschmanegg sagte, noch diese Woche werde es erste Gespräche mit der TMB geben, welche Bereiche des Marketings nun womöglich die Stadt übergangsweise übernehmen muss. Jakobs sagte, die Stadt könne der TMB angesichts der Lage nun auch keine weiteren Aufträge mehr erteilen. Weiter hieß es, für eine Bezahlung von Leistungen fehle schlicht ein Vertrag.
Wie geht es weiter mit der TMB?
Noch ein Umstand belastet die Stadt: Die TMB wird sich so oder so spätestens im nächsten Jahr aus dem Marketing für die Stadt zurückziehen. Das habe aber nichts mit den aktuellen Querelen zu tun, sagte Sprecherin Birgit Kunkel auf PNN-Nachfrage. Vor dem Hintergrund absehbarer Änderungen im europäischen Beihilfe- und Vergaberecht hätten TMB und Landeswirtschaftsministerium ein Rechtsgutachten zur Ausrichtung des Unternehmens erstellen lassen. Demnach werde „eine Konzentration auf die strukturpolitischen Kernaufgaben des Landesmarketings empfohlen“, so Kunkel. Daher habe man sich aus dem noch parallel laufenden Potsdamer Bewerbungsverfahren für das Tourismusmarketing zurückgezogen.
Dafür steht nun weiter die bundesweit aktive GLC in den Startlöchern, die bereits den Spreewald touristisch vermarktet. GLC-Vorstand Seemann: „Wir bewerben uns in jedem Fall weiter.“ Nach PNN-Informationen ist die GLC damit der einzige Bewerber. Noch im Sommer will die Stadt eine endgültige Entscheidung fällen, wer das Marketing ab nächstes Jahr übernimmt – die Übergangszeit bis dahin ist allerdings noch ungeklärt.
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