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Homepage: Die Segelmacherin

Als Kind lernte Juliane Hofmann segeln – Nach dem Studium gründete sie Potsdams erste Segelmacherei

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Mit einem Gewichtsproblem hat alles angefangen: 2003 war das. Juliane Hofmann, die seit ihrer Kindheit segelt, war zu leicht für ihre OK-Jolle. Bei stärkerem Wind drohte das Segelboot umzukippen. Das ist nicht verwunderlich, erklärt die 26-Jährige Absolventin der Universität Potsdam. Denn diese Bootsklasse ist eigentlich für Männer gedacht. Und die sind eben schwerer als Frauen. Um die fehlenden Kilos auszugleichen, brauchte Hofmann also ein flacheres Segel. Und das bestellte sie bei ihrem heutigen Geschäftspartner Greg Wilcox. Der Neuseeländer war damals Geschäftsführer einer Segel-Werkstatt in Wellington und gleichzeitig amtierender Weltmeister in der OK-Klasse.

Beim Segelmachen blieb die Potsdamerin danach hängen. „Das Segel ist ein wichtiger Punkt, um Erfolg zu haben“, sagt sie. In den folgenden Jahren reiste die Sozial- und Wirtschaftsgeographin in den Semesterferien regelmäßig nach Neuseeland. Dort jobbte sie in der Segel-Werkstatt: „Um Geld zu verdienen“. So lernte sie das Handwerk.

In der vergangenen Woche eröffnete sie zusammen mit Greg Wilcox eine Werkstatt in der Bertinistraße. Die erste Segelmacherei in der Landeshauptstadt ist ein Franchise-Unternehmen der amerikanischen Firma „Quantum Sails“, die zwei weitere deutsche Agenturen unterhält. Produziert werde allerdings nur in Potsdam, so Hofmann. Zwar gibt es im benachbarten Berlin 20 Werkstätten, sagt die Existenzgründerin. Von denen seien aber nur wenige so modern ausgerüstet wie die Werkstatt am Jungfernsee.

Auf einem acht Meter langen Tisch ist dort der computergesteuerte Plotter-Cutter montiert. Das Gerät zeichnet die Umrisse auf die Stoffbahnen. „Ein Segel ist ja dreidimensional“, erklärt Hofmann. Für die Fertigung muss es deshalb in Einzelteile zerlegt werden, die später zusammengenäht werden. Geschnitten wird der Stoff, eine Kunstfaser, von Hand. Entworfen wird das Ganze am Computer: Für das Design nimmt die Segelmacherin Maß vor Ort auf dem Boot. Schließlich soll das Segel passen und keine Falten werfen. Die genaue Größe hänge nicht nur vom Bootstyp ab, erklärt die Jungunternehmerin. So muss der Bauch eines Segels für See- oder Binnengewässer verschieden sein. Auch persönliche Vorlieben spielen eine Rolle: „Es ist keine langweilige Arbeit“, findet Hofmann.

Auf der hüfthohen Bühne aus Theaterpodesten werden die Segel weiter verarbeitet: An zwei Nähmaschinen werden die Bahnen im zick-zack-förmigen Dreierstich vernäht. Die Ränder der Segel müssen speziell verstärkt werden. Zuletzt schlägt die Segelmacherin die Ösen ein. „Das ist alles Handarbeit.“ Ein bis drei Tage dauert die Herstellung eines Segels. Durch die hohen Werkstatt-Fenster fällt der Blick auf die Heilandskirche am gegenüberliegenden Ufer.

„Eigentlich ist Segeln ja kein Hobby, sondern eine Berufung“, sagt Juliane Hofmann. Im Spreewald segelte die gebürtige Dresdnerin zum ersten Mal. Als Jugendliche kam sie dann auch in Potsdamer Gewässer. Hier gefiel es ihr so gut, dass sie zum Studieren in die Landeshauptstadt zog. Als Studienfächer wählte sie Anthropogeographie und Geschichte. „Ich habe das gemacht, was mich interessiert hat.“ Nebenbei segelt sie Regatten, im Sommer praktisch jedes Wochenende: Deutschland- und Europameisterschaften, die Warnemünder Woche, Weltmeisterschaft. Oft ist sie die einzige Frau unter den Wettkampfteilnehmern. Ihren Titel als „Schnellste Frau Deutschlands 2006“ tut sie deshalb lächelnd ab.

Bis sie es wagte, ihre Berufung auch zum Beruf zu machen, hat es jedoch gedauert. Nach Studiumsabschluss versuchte die Seglerin zunächst mit Praktika einen Einstieg zu finden. Im vergangenen Jahr arbeitete sie bei einer Consulting-Firma im Bereich Verkehrsberatung. Als ihr klar wurde, dass sie dort keine berufliche Perspektive hatte, stieg sie wieder aus. Die Idee mit der Selbständigkeit als Segelmacherin lag zwar nahe. Trotzdem meldete sich die Absolventin voll Zweifel beim Lotsendienst der Uni Potsdam. Segelmacherei, das ist doch „total unakademisch“, befürchtete sie. Die Seminarleiter hätten ihr dann aber „viel Mut gemacht mit der Idee“.

Räume fand sie im Haus in der Bertinistraße, in dem auch ein Yachthersteller seinen Sitz hat. Die davon erhofften „Synergieeffekte“ stellen sich bereits ein: So entwickelt Hofmann die Prototypen der Segel für eine neues Yacht-Modell. Die meisten Kunden habe jedoch ihr Geschäftspartner „mitgebracht“. Wilcox fertigt 40 Prozent aller OK-Segel weltweit, schätzt er. Aber auch bei den fünf Potsdamer Segelclubs hat sich Hofmann vorgestellt. Die Regatten sind für sie nun „Kundenakquise“. Pokale und Siegermedaillen haben in der Werkstatt ihren Platz. „Wenn ein Segelmacher segelt und gut segelt, dann wird er Aufträge kriegen“, glaubt Hofmann. Alle ein bis zwei Jahre brauchen Wettbewerbssegler neue Segel, weiß sie.

Als „glückliche Symbiose“ bezeichnet die Potsdamerin ihre Arbeit heute. „Man kann ja nicht mehr darauf hoffen, dass man einen normalen Job kriegt“, sagt sie. Mit der eigenen Firma habe sie eine Arbeit gefunden, die zu ihrem Lebensstil passe.

Kontakt: potsdam@quantumsails.com

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