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Wissenschaft in Potsdam: Die Sonne macht Pause
Sonnenforscher stellen fest, dass unser Gestirn offensichtlich eine längere Ruhepause einlegt - eine echte Überraschung: Dass es zu keiner kleinen Eiszeit kommt, liegt am Klimawandel
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Potsdam - Die Sonne legt eine Ruhepause ein. Sonnenforscher haben festgestellt, dass die Aktivität unseres Gestirns in den vergangenen Jahren signifikant niedriger war als in Vergleichszeiträumen. Auch der Sonnenphysiker Professor Carsten Denker vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) kann bestätigen, dass das Auftreten von Sonnenflecken – ein Indiz für die Sonnenaktivität – stark zurückgegangen ist. „Der letzte Sonnenzyklus wies ein langes und sehr tiefes Minimum auf“, erklärt Denker, der auch Leiter des Sonnenobservatoriums Einsteinturm ist. Das letzte Maximum sei noch vergleichsweise hoch gewesen. Danach ließ die Aktivität aber stark nach. „Von diesem Minimum waren wir ziemlich überrascht, das hatten wir so nicht erwartet.“
Die Sonnenzyklen betragen immer rund elf Jahre, auf ihrem Höhepunkt ist die Sonnenaktivität (Sonnenflecken, Strahlungsausbrüche und koronale Masseauswürfe) am stärksten, in diesem Zeitraum werden die meisten Sonnenflecken gezählt. Der elfjährige Zyklus ist nach Samuel Heinrich Schwabe benannt. Die Sonnenaktivität wird seit Galileo Galilei (1564-1642) kontinuierlich beobachtet. Das aktuelle Nachlassen der Aktivität hatte bei den Sonnenforschern dazu geführt, dass die Prognose für das nächste Maximum um zwei Jahre auf 2013 hinausgeschoben werden musste. „Auch die Höhe des bevorstehenden Höhepunktes dürfte deutlich geringer ausfallen als im vorherigen Zyklus“, so Denker.
Amerikanische Forscher gehen nun sogar so weit, dass uns eine längere Sonnenpause bevorstehen könnte. Sie haben drei Studien vorgelegt, die alle zu dem Ergebnis kommen, dass es im kommenden Jahrzehnt ein Minimum der Sonnenaktivität geben könnte. Demnach könnte der nächste Zyklus erst 2022 beginnen oder sogar gänzlich ausfallen. Zur Zeit nähern wir uns dem Höhepunkt des aktuellen Zyklus 24 – gezählt wird seit Richard Christopher Carrington (1826-1875) – in rund neun Jahren müsste demnach der nächste Zyklus beginnen.
Hier sieht der Potsdamer Sonnenexperte Denker allerdings noch viel Spekulationsraum. „Wir haben uns schon beim letzten Minimum stark verschätzt“, gibt er zu bedenken. Zudem könne man die Daten der Studie auch anders interpretieren. Wenn man derzeit eine Linie durch die Aktivitätsdaten lege, sähe es so aus, als falle der kommende Zyklus 25 tatsächlich komplett aus. „Aber es kann auch ganz anders kommen, das wissen wir aus vergangenen Zyklen“, erklärt der Physiker. „Die Forschung hat nach wie vor Probleme vorherzusagen, wie sich die Sonnenzyklen entwickeln.“
Längere Ruhepausen der Sonne sind den Forschern durchaus bekannt. Das beste Beispiel ist das sogenannte Maunder-Minimum: Von 1645 bis 1715 sank die Strahlungsintensität der Sonne auf einen Tiefstand, Sonnenflecken gab es kaum. In die Zeit vom 16. bis ins 19. Jahrhundert fällt auch die sogenannte Kleine Eiszeit, in der es in Mitteleuropa sehr kalte Winter gab, sogar die Themse in London fror zu. „Daher kommen Überlegungen, dass die Sonnenaktivität mit dem Klima zusammenhängt“, erklärt Denker, „und das lässt sich auch so beobachten.“ Es zeige sich, dass Klimazyklen mit den Sonnenzyklen und Vulkanausbrüchen verknüpft sind. Seit Beginn der Industrialisierung würden allerdings die menschlichen Einflüsse auf das Klima überwiegen. „Sie überlagern nun die Einflüsse von Sonne und Vulkanen“, so der Astrophysiker.
Die Geoforscher gehen davon aus, dass zumindest das Maunder-Minimum sich mit verminderter Sonnenaktivität erklären lässt. Aus Bohrkernen wissen sie auch, dass es neben dem elfjährigen Schwabe-Zyklus auch noch übergeordnete Zyklen gibt, etwa den 88-jährigen Gleißberg-Zyklus, auch ein etwa 200-jähriger Zyklus ist bekannt, erklärt Professor Achim Brauer vom GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ). Das letzte große Minima vor der Maunder-Phase war demnach 700 v. Chr., es soll sogar knapp 150 Jahr angedauert haben. „Die Minima tauchen etwa alle 1000 bis 1500 Jahre auf, aber nicht wirklich zyklisch.“
Allerdings würden die Schwankungen der Gesamtstrahlungsleistung der Sonne das Klima nur kaum beeinflussen, erklärt Denker. Die Variation durch die Sonnenflecken mache nur rund 0,2 Watt aus bezogen auf die Solarkonstante von 1367 Watt pro Quadratmeter. Jedoch habe die UV-Strahlung und das Magnetfeld der Sonne Einfluss auf die Wolkenbildung. So hat die Geo- und Atmosphärenforschung festgestellt, dass in den Ruhepausen der Sonne mehr Wolken gebildet werde, es also kälter wird. In Phasen hoher Sonnenaktivität steigt demnach auch die Sonneneinstrahlung auf der Erde. „Es gibt also einen indirekten Einfluss der Sonne auf das Klima“, sagt Denker. Bis in die 1920er lasse sich dieser Zusammenhang deutlich an den Daten ablesen. „Seitdem werden diese Effekte so stark von menschgemachten Effekten überlagert, dass sie nicht mehr so einfach zu messen sind.“
Die gegenwärtige Situation findet Denker nun sehr spannend. Denn sollte wirklich der nächste Sonnenzyklus ausbleiben, dürfte dies ein so starkes Signal sein, dass man es dann auch messen können müsste. „Damit könnten wir dann überprüfen, ob unsere Klima- und Atmosphärenmodelle funktionieren, aber auch ob unsere Vorstellungen von der Sonne zutreffen“. Wesentlich kälter dürfte es aber auch durch einen ausbleibenden Zyklus auf der Erde nicht werden.
Auch die Klimaforschung erwartet nicht, dass eine längere Schwäche der Sonne dazu führen könnte, die globale Erwärmung durch den Treibhauseffekt abzubremsen. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat zusammen mit einem Kollegen eine Studie dazu verfasst (Geophysical Research Letters, 2010), wonach ein erneutes Sonnenminimum von 70 Jahren – entsprechend dem Maunder-Minimum – voraussichtlich nur ein Zehntelgrad, höchstens aber 0,3 Grad Abkühlung bringen dürfte. Gemessen an den erwarteten zwei bis vier Grad Erwärmung bis 2100 durch den menschgemachten Klimawandel, würde das kaum ins Gewicht fallen.
Auf die Frage ob die heftige Sonneneruption Anfang Juni in das Bild von der schwachen Sonnenaktivität passe, muss der Sonnenphysiker Denker wiederum lachen. Nachdem Kollegen von ihm mit dem neuen Solar Dynamics Observatory der Nasa eine spektakuläre Bildserie von dem Strahlungsausbruch gemacht hatten, sei in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, dass es sich um einen besonders großen Ausbruch handele. Dem hingegen habe sogar das Space Weather Prediction Center diesen Strahlungsausbruch auf der niedrigsten Warnstufe eingeordnet. Allerdings habe es diesen März bereits einen stärkeren Ausbruch gegeben.
„Wir gehen im gegenwärtigen Zyklus nun auf das Maximum zu“, sagt Denker. Aber das sei eben sehr schwach. Normalerweise gebe es in einem Zyklus 200 bis 300 stärkere Eruptionen. Ausbrüche, die Schäden an technischen Systemen auf der Erde und im Weltall verursachen könnten, zähle man pro Zyklus etwa 20 Mal. „Diesmal gab es davon bislang nur zwei, die auch keine größeren Schäden verursacht haben“, so das Resümee des Experten.
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