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Sport: „Die Stadt hat kein Interesse an uns“

Babelsbergs Cheftrainer Dietmar Demuth über die 1. Halbserie, Träume und Ladehemmung im Sturm

Stand:

Herr Demuth, der SV Babelsberg 03 wird am kommenden Wochenende zumindest als Tabellen-Vierter der Fußball-Regionalliga Nord in die Winterpause gehen. Sind Sie als Trainer zufrieden mit der ersten Meisterschafts-Halbserie?

Ja, das bin ich. Natürlich war es enttäuschend, dass wir in den letzten drei Spielen kein Tor mehr erzielt haben, aber mit der gesamten Hinserie können wir angesichts unserer 34 Punkte zufrieden sein.

Hand aufs Herz: Resultiert diese positive Bilanz aus Glück oder aus Können?

Aus beidem. Aber wir haben uns im Saisonverlauf spielerisch deutlich verbessert. Man darf nicht vergessen, dass wir mit einer völlig neuen Mannschaft in die Saison gestartet sind, die vom Charakter und vom Menschlichen her sehr schnell zusammenfand. Diesen Respekt dem Mitspieler gegenüber hat sich die Truppe bis jetzt erhalten. Auch der Trainingsfleiß ist ungebrochen. Das sind alles Voraussetzungen für einen guten weiteren Saisonverlauf.

Auf welche Partie blicken Sie am liebsten zurück?

Da gab es einige. Erfreulich ist vor allem unsere Auswärtsbilanz. Wir sind auswärts noch ohne Niederlage. Viele Mannschaften haben Probleme entweder zu Hause oder auswärts, das ist bei uns nicht so. Wir versuchen, überall unser Spiel durchzuziehen.

Und was hat Sie am meisten enttäuscht?

Die Heimniederlage gegen Halle. Es wäre sicher vermessen anzunehmen, dass man zu Hause alle Spiele gewinnt. Aber natürlich schmerzte dieses 0:2 gegen einen Mitkonkurrenten.

Zu den bisherigen acht Heimspielen kamen 15 080 Zuschauer, das waren im Durchschnitt 1885 pro Partie. Sind Sie damit zufrieden?

Nein, auch das war enttäuschend. So wie das Interesse der Stadt Potsdam insgesamt.

Wie meinen Sie das?

Es gibt überhaupt keine Unterstützung für uns, obwohl wir im Land Brandenburg nach Energie Cottbus die zweithöchste Mannschaft sind. Dass wir im ganzen Norden Deutschlands mit unserem erfolgreichen Spiel Werbung für die Filmstadt Babelsberg machen und durch die Gast-Mannschaften und ihre Fans auch ein wirtschaftlicher Faktor in Potsdam sind, den man ausbauen könnte, scheint kein Politiker dieser Stadt zu begreifen. Die Stadt hat überhaupt kein Interesse an uns. Ob es nun um das Stadion geht, unsere Trainingsplätze oder die Jugendmannschaften. Wir mussten sogar schon drei Nachwuchsmannschaften abmelden, weil die Platzkapazitäten auf der Sandscholle nicht mehr ausreichten. Überall, wo ich bisher gearbeitet habe, war das Interesse der Stadt deutlich größer als hier in Potsdam.

Der SVB stand zwischen dem vierten und neunten Spieltag an der Tabellenspitze. Da reiften bei manchem Babelsberger Träume und Hoffnungen auf die dritte Liga.

Träumen kann man, dafür ist der Fußball ja auch da. Wichtig war aber, dass wir Verantwortlichen beim SVB unsere Leistungsstärke richtig einschätzen konnten und können. Natürlich wären wir gern ganz oben geblieben, aber unser Saisonziel war und ist ein Platz unter den ersten sechs – und mit nur drei Punkten Rückstand zu Spitzenreiter Kiel haben wir ja weiter Tuchfühlung mit ganz oben. Das hatte uns vor der Saison niemand zugetraut.

Überrascht es Sie, dass Holstein Kiel und der 1. FC Magdeburg nach der ersten Halbserie ganz oben stehen?

Nein, denn beide gehörten von Anfang an zu den Favoriten. Überraschend ist vielmehr, dass Halle und wir gleich dahinter kommen, während beispielsweise der Chemnitzer FC als Tabellen-Elfter doch etwas enttäuschte.

Zurück zu Ihrer Mannschaft: War in den letzten drei Spielen, in denen der SVB nicht mehr traf, ein bisschen die Luft raus?

Nein. Wir haben zwar nicht die Ergebnisse erzielt, die wir uns erhofft hatten, und man kann uns vorwerfen, dass wir keine Tore machten. Aber wir haben immer versucht, uns Chancen zu erarbeiten und diese auch zu nutzen. Letzteres hat zuletzt leider nicht mehr geklappt.

Warum diese Ladehemmung in der Babelsberger Angriffs-Abteilung?

Wenn man das wüsste Mal kamen unsere Stürmer eine Zehntelsekunde zu spät, mal standen sie ein bisschen falsch zum Ball. Aber ich muss sie auch in Schutz nehmen. Da kommt mit Stefan Kutschke ein 19-Jähriger vom Sechstligisten Laubegast und man erwartet, dass er jetzt die Regionalliga aufmischt. Auch Clemens Lange und Daniel Frahn sind noch junge Buschen, die sich erst in der Regionalliga zurechtfinden müssen.

Stichwort Clemens Lange. Auf den Rängen wird schon diskutiert, ob er mit erst einem Liga-Tor ein Fehleinkauf war.

Clemens Lange macht zurzeit nicht die Tore, die wir uns alle gewünscht haben, und er selbst setzt sich dabei auch sehr unter Druck. Spiele ohne Tore nagen am Selbstvertrauen eines jeden Stürmers. Clemens wird froh sein, dass jetzt die Winterpause kommt, in der er neue Kraft sammeln kann. Und auch wir Trainer hoffen, dass bei ihm dann der Knoten platzt.

Im Gegensatz dazu scheint Mittelfeldspieler Patrick Moritz mit seinen 31 Jahren seinen dritten Frühling zu erleben. Er ist mit fünf Toren bislang treffsicherster Nulldreier.

Patrick ist ein erfahrener Spieler, der weiß, wieviel er machen muss, um in die Mannschaft zu kommen. Als es für ihn eng wurde, hat er das Richtige getan: Er hat Gas gegeben, was ihm und der ganzen Mannschaft gut tut.

Mit nur sieben Toren kassierte der SVB so wenig Gegentreffer wie keine andere Mannschaft der oberen vier deutschen Spielklassen. Wie erklären Sie das?

Wir versuchen vom System her zunächst mal zu Null zu spielen. Jeder hat so zu spielen, dass die Defensive steht – von den Stürmern über unsere Doppel-Sechs, auf der Almedin Civa und Julian Prochnow sehr gut spielen, bis natürlich hin zur Abwehr und unserem Torhüter. Dass Marian Unger gleich ein paar Elfer und auch sonst einige so genannte Unhaltbare pariert hat, war enorm wichtig. Ronny Surma hat seine Chance in der Abwehr durch die Verletzung Dirk Jonelats und Bastian Zenks genutzt und sich gleich in den Stamm gespielt. Und natürlich bin ich froh, mit Jonelat einen Spieler zu haben, der nach seiner Genesung nun wieder ohne Probleme in unserer Abwehr seinen Mann steht.

Sie haben die Hinrunde mit einem 21-köpfigen Kader bestritten. Wie viele Spieler sollen es denn im Frühjahr sein?

Das hängt nicht von mir, sondern vom Geld ab. Ich würde gern noch drei Vollgranaten holen. Verstärken könnte man sich auf allen Positionen. Aber neue Spieler müssten stärker als unsere jetzigen sein, um uns auch wirklich helfen zu können. Was heißt, dass sie aus der dritten oder gar zweiten Liga kommen müssten. Und das kann Babelsberg nicht bezahlen.

Bieten sich Spieler aus der eigenen zweiten Mannschaft oder Jugend an?

Da sehe ich zurzeit niemanden, der uns helfen könnte.

Zumal Babelsbergs U23 in der Brandenburgliga auf dem vorletzten Tabellenplatz überwintert.

Unsere zweite Mannschaft hat die Qualität, um die Klasse zu halten. Wir werden uns mit Trainer Thomas Leek zusammensetzen, um nach Wegen dafür zu suchen.

Steht schon fest, ob Regionalliga-Spieler den Verein in der Winterpause verlassen werden?

Nein. Es ist noch niemand auf uns zu gekommen, der wechseln will. Und wir haben unsererseits dazu auch noch keine Entscheidung getroffen.

Werden Sie am kommenden Samstag alle Spieler zum Rückrunden-Auftakt beim VfB Lübeck zur Verfügung haben?

Ich kann aus dem Vollen schöpfen. Björn Laars hat seine Grippe überwunden und heute wieder mit dem Lauftraining begonnen. Auch Ümit Ergirdi, der bei Sachsen Leipzig mit einer Kopfverletzung früh vom Platz musste, trainiert wieder mit. Er ist in Leipzig und hier in Potsdam gründlich durchgecheckt worden und es wurde nichts Ernsthaftes festgestellt.

Was ist beim Tabellen-13. drin?

Wir wollen uns die Punkte, die wir beim 0:0 in Leipzig liegen gelassen haben, jetzt in Lübeck holen. Der VfB ist zwar ein anderes Kaliber als der FC Sachsen, aber wir sind gut drauf.

Danach geht die Mannschaft gleich in den Urlaub. Bekommen die Spieler Trainingspläne für die freie Zeit mit?

Ja. Wir werden ihnen nahe legen, auch über die Feiertage etwas zu tun. Aber unsere Spieler wissen das eigentlich selbst.

Wird es zum Trainingsauftakt am 12. Januar entsprechende Kontrollen geben?

Wir planen einen Feldstufentest, um zu sehen, ob sich alle ordentlich bewegt haben. Das merken wir schnell.

Werden Sie mit Ihrer Familie über die Feiertage verreisen?

Nein, ich bleibe hier, denn für einen Trainer gibt es immer was zu tun.

Was wünschen Sie sich als Trainer vor allem zu Weihnachten?

Dass wir alle gesund bleiben und im neuen Jahr eine vernünftige Rückrunde spielen, ähnlich der Hinrunde. Wenn wir dann noch einmal 34 Punkte holen sollten – was sicher schwer wird –, wären wir weiter oben dabei.

Das Interview führte Michael Meyer.

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