Landeshauptstadt: Die Tragödie der Blockade
Humboldt-Gymnasiasten verbanden Besuch in St. Petersburg mit Schulprojekt
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Nicht schlechthin Touristenreisen waren die Besuche und Gegenbesuche zwischen den Potsdamer Humboldt-Gymnasiasten und den Eleven der Schule Nr. 210 in St. Petersburg, die partnerschaftlich verbunden sind. Für die Klasse 10 C verknüpfte Lehrerin Carola Seitz den Aufenthalt in der Stadt an der Newa vielmehr mit einem Projekt zu dem schwierigen Thema der 900-tägigen Blockade durch die deutschen Truppen, der ab 1941 im damaligen Leningrad mehr als 800 000 Einwohner durch Beschuss, Hunger und Krankheiten zum Opfer fielen. In einer Umfrage wussten 40 Prozent mit dem Begriff nichts anzufangen, der für eine der größten Tragödien im Zweiten Weltkrieg steht.
Ergebnisse des Projektes waren eine CD, die für den Unterricht in Geschichte, Politischer Bildung, LER und Russisch, das an dem Gymnasium noch gelehrt wird, eingesetzt werden kann, sowie ein inhaltlich, gestalterisch wie technisch bemerkenwerter Film. Sie wurden am Mittwochabend im Brandenburg-Saal der Staatskanzlei vorgestellt.
Die Schüler reisten über den 9. Mai 2005 nach St. Petersburg, als in Russland der 60. Jahrestag der Sieges über Hitlerdeutschland gefeiert wurde. Sie befragten junge Leute und Veteranen, die die Blockade überlebt haben. Deren Aussagen ergänzen sie im Film durch Dokumentaraufnahmen über die Leiden der Bevölkerung. Am „Tag des Sieges“ blieb kein Platz, die Brüche in der sowjetischen Geschichte einzubeziehen. Nur eine der befragten Veteraninnen äußerte, Stalin (ein millionenfacher Massenmörder) sei „auch nicht so besonders“ gewesen. Tatsächlich wirkte das durch Gewalt gegen die Bevölkerung geprägte stalinistische System während der Blockade weiter. So wurden allein im Winter 1941/42 130 000 Personen deutscher und finnischer Nationalität als „generell verdächtige“ Bevölkerungsgruppen deportiert. Später wurden die Funktionäre, die die Verteidigung der Stadt organisiert hatten, durch Stalin als konterrevolutionäre „Leningrader Gruppe“ liquidiert. Gewünscht hätte man sich, dass die Bilder über die von der Wehrmacht zerstörten und nach dem Weltkrieg wieder aufgebauten Zarenschlösser in Peterhof mit einem Hinweis auf die seit DDR-Zeiten andauernde Partnerschaft mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten verbunden worden wären.
Das Projekt der Humboldt-Gymnasiasten ist also noch ausbaufähig. Damit wird sein Wert für freundschaftliche deutsch-russische Beziehungen nicht geschmälert. Er wurde an diesem Abend durch Holger Rupprecht gewürdigt, der vor seiner Berufung zum Bildungsminister Leiter des Humboldt-Gymnasiums war. Dank galt der Stiftung „Erinnerung und Zukunft“ sowie der Landeszentrale für politische Bildung, die das Projekt finanziell gefördert haben. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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