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Homepage: Die Unfähigkeit, rechtzeitig aufzuhören

Der Potsdamer Ernährungswissenschaftler Gerhard Püschel sieht Völlerei in der modernen Gesellschaft

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Eigentlich ist der Hunger schon weg. Aber das Essen war so lecker. Und im Topf ist noch etwas, im Kühlschrank wartet der Sahnepudding. Viele können dann nicht widerstehen und essen hemmungslos weiter. Es ist die Unfähigkeit, rechtzeitig aufzuhören. Hier und da ein paar Kalorien mehr, als man braucht. Das summiert sich, der Bauchumfang legt zu. Völlerei ist ein Problem der modernen Gesellschaft. Im Mittelalter galt sie als Todsünde. Heute ist sie zumindest aus gesundheitlicher Sicht bedenklich. Hinter der Schwierigkeit, rechtzeitig aufzuhören, steckt für den Ernährungswissenschaftler Gerhard Püschel von der Universität Potsdam die Genusssucht des Menschen. Und die hat Folgen: Wer satt ist und regelmäßig dennoch weiterisst, wird erst übergewichtig und dann fettleibig.

Mit zu vielen Kilos kämpfen in Deutschland inzwischen sechs von zehn Erwachsenen. Weltweit brächten wahrscheinlich ebenfalls mehr als die Hälfte der Menschen zu viel auf die Waage, schätzt der Ernährungswissenschaftler – Tendenz steigend. Zu Zeiten der Jäger und Sammler hatte Völlerei Püschel zufolge einen Sinn: Gab es mehr Nahrung, als man nötig hatte, wurde auf Vorrat gegessen. Heute ist ein solches Verhalten nicht mehr sinnvoll, gibt Püschel zu bedenken. Nicht nur das Nahrungsangebot, auch die Nahrungsmittel hätten sich verändert. Sie enthalten weniger Ballaststoffe und mehr Kalorien in weniger Volumen. Auch an Bewegung mangelt es vielen. Die Rechnung, die Püschel aufstellt, ist einfach: Chronischer Kalorienüberschuss plus chronischer Bewegungsmangel ergibt Übergewicht und Fettleibigkeit.

Für Püschel lässt sich Völlerei auch in anderen Konsumbereichen beobachten. Der wirtschaftliche Erfolg vieler Unternehmen hänge zu einem großen Teil davon ab, dass über das notwendige Maß hinaus konsumiert werde. Eine Wirtschaft, die darauf ausgerichtet ist, mehr und mehr Gewinn zu machen, lebe in nennenswertem Umfang von Völlerei. Oft mit negativen Konsequenzen für Umwelt und Gesundheit. Übergewicht und Fettleibigkeit ziehen Diabetes und Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen nach sich. „Die harten Endpunkte sind Herzinfarkt und Schlaganfall.“ Carolina Ambrosi

Carolina Ambrosi

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