Homepage: Die vergessenen Einsteins
Dr. Elke-Vera Kotowski erinnert an die Vertreibung jüdischer Wissenschaftler im Nationalsozialismus
Stand:
Dr. Elke-Vera Kotowski erinnert an die Vertreibung jüdischer Wissenschaftler im Nationalsozialismus Deutschland bräuchte wieder mehr Einsteins, konstatierte unlängst die Moderatorin Marietta Slomka im ZDF. Jedoch würden immer mehr potenzielle Einsteins Deutschland verlassen, um ihre Karriere andernorts fortzusetzen. Keine guten Aussichten für den Wissenschaftsstandort Deutschland. Für Dr. Elke-Vera Kotowski, Geschäftsführerin des Moses Mendelssohn Zentrums an der Universität Potsdam, war der Fernsehabend verdorben. „Was ist das für ein Geschichtsverständnis, das heutige freiwillig gewählte Karrierewege im Ausland mit der Vertreibung von Wissenschaftlern im Nationalsozialismus gleichstellt“, fragt sie. Die Irritation über so viel verallgemeinernde Ignoranz wurde zum Impuls für einen Vortrag, den die Historikerin zum Wissenschaftssommer am 16. Juni im Lustgarten vor Potsdamer Schülern halten wird. Dass viele Wissenschaftler nach 1933 nicht wegen besserer Forschungsmöglichkeiten ins Ausland gingen, sondern von den Nazis ins Exil gezwungen wurden, will Kotowski aufzeigen. Albert Einstein traf in Princeton, einer der bedeutendsten Eliteuniversitäten der USA, auf eine Professorenschaft, die in jenen Jahren zu etwa einem Viertel aus deutschen Exilanten bestand. Amerikaner wurde Einstein allerdings nicht. Heute gilt der Erfinder der Relativitätstheorie als versierter Weltbürger, der auch nach seinem Tod schwerlich einzugemeinden ist. Das Einsteinjahr findet nicht nur in Deutschland statt, wie die Wissenschaftlerin, die gerade von einer Dienstreise aus den USA zurückkehrte, feststellen konnte. So stieß sie bei ihrem Aufenthalt in New York auf eine Ausstellung im Vassar College, einem der ersten Frauencolleges in den USA nördlich von New York, in dem die Nichte Albert Einsteins studierte. Aus ihrem Nachlass sind zur Zeit Briefe ihres berühmten Onkels in der Bibliothek des College zu sehen. Längst nicht alle aus Deutschland vertriebenen wissenschaftliche Koryphäen hatten die Privilegien, die Einstein seinem Ruhm zu verdanken hatte. Viele Exilierte mussten gänzlich neu anfangen, sie trafen auf eine fremde Kultur und mussten eine neue Sprache erlernen. Sie waren gezwungen für sich und ihre Familien eine neue Existenz aufzubauen, was mitunter bedeutete, in einem völlig anderen Beruf arbeiten zu müssen, um zu überleben. Exemplarisch will die Potsdamer Historikerin auch an solche Schicksale erinnern, die durch das Exil in Vergessenheit gerieten. So an den Erfinder der sozialen Marktwirtschaft, Franz Oppenheimer und den Mathematiker und langjährigen Schachweltmeister Emanuel Lasker. Gerade im Einsteinjahr sollte auch an die vielen zerstörten, abgebrochenen Wissenschaftskarrieren und verhinderten Genies gedacht werden, die Zeitgenossen des Nobelpreisträgers waren. Dem moralischen Zeigefinger, der heutigen Wissenschaftler Heimatflucht vorwirft, fehlt für Elke-Vera Kotowski historisches Bewusstsein. Dieses Bewusstsein will die Historikerin dem wissenschaftlichen Nachwuchs in ihrem Vortrag vermitteln. Lene Zade Am 16. Juni referiert Dr. Elke-Vera Kotowski für Schüler ab der 11. Klasse im Lustgarten (11 Uhr) über den „Exodus jüdischer Wissenschaftler nach 1933“.
Lene Zade
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: